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a. Schild. – Eisen gebläut, getrieben, mit Gold und Silber tauschiert. In dem Rund ist durch einen Rahmen, der ein Muster von Weinblättern zeigt, ein quadratisches Feld geschaffen. Die Sektoren oben und unten enthalten je ein antikes Haupt in einem Rahmen und Rollwerk, daneben, auf Fruchtfestons lagernd, erwachsene musizierende Genien mit großen Flügeln. Rechts und links stehend je eine entsprechende weibliche Flügelgestalt, mit Zymbal und Doppelpauke, darüber ein Löwenkopf, aus dessen Maul an einem Ring eine Fruchtgirlande hängt. Das Mittelfeld zeigt die Szene aus Livius, 26, 50, wie Scipio die Schlüssel einer eroberten Stadt und Geschenke entgegennimmt, bekannt unter dem Namen: die Gerechtigkeit Scipios. Der lorbeergekrönte Feldherr sitzt unter einem eine Draperie tragenden Fruchtbaum, hinter ihm seine Krieger mit einer wehenden Fahne, vor ihm kniende Männer mit Vasen und geldgefüllten Gefäßen, stehende Frauen, von denen eine jüngere ihm den Schlüssel reicht. Im Hintergrund Mauern und Türme der Stadt, davor das Zeltlager. Der ganz zur Rechten stehende jugendliche Krieger mit dem Löwenhelm kann als der celtiberische Prinz Aluccius gelten, dem Scipio das dargebotene Lösegeld samt dem Mädchen, seiner Braut, aus deren Hand er die Schlüssel empfängt, als deren Aussteuer überläßt. Die ganze Szene nach einem Stich des Agostino Veneziano (Bartsch XV, S. 30, N. 3) mit geringen Veränderungen; der Stich trägt die Inschrift: „Aurum quod pro redimenda captiva virgine parentes attulerant Luceio Sponso tradit Scipio Romae Excd. Ant. Sal“ (Antonio Salamanca). – Das Schildfutter, mit breiten rotgoldnen Seidenfransen umrandet, zeigt auf rotem Samt reiche Stickerei und Applikationsarbeit: zwei oblonge Kartuschen, oben und unten, enthalten in ovalem Felde je eine liegende weibliche Gestalt in waldiger Landschaft, rechts und links verbinden spielende Putten die Kartuschen mit einem aus Trophäen und Fruchtgehänge gebildeten Kranz, der den Rand umzieht. Schildfessel, Halsriemen und Außenrand in schwerer Goldstickerei.

b. Helm. – Sturmhaube mit hohem Kamm, Nackenschutz und Wangen, der Augenschirm geteilt und nach innen eingerollt. Auf der Glocke figürliche Darstellungen: rechts der Ausritt des Sohnes des Kaisers Trajan, bei dem sein Pferd den Sohn einer armen Witwe zu Tode tritt, links das Urteil des Kaisers, der zur Sühne seinen Sohn der Witwe vermählt. Auch hier die Hauptgestalten nach dem Stich Agostino Venezianos (Bartsch XIV, S. 160, N. 196, P. 36), wobei, dem beschränkten Raume folgend, die Komposition mehr umgestaltet ist als auf dem Schilde: die Hauptfiguren des Stiches, der Kaiser und sein Sohn, sind auf die beiden Szenen verteilt. Auf dem Kamm und den Wangen Waffen und Musikinstrumente, der Kamm trägt an der Stirn eine geflügelte weibliche Halbfigur. Die Federhülse bildet eine bärtige Maske. In der Dekoration herrscht das Motiv des Wein(Hopfen)blattes, den Kamm umzieht ein Kranz von Lorbeerblättern und Früchten.

Inventar der Rüstkammer 1567, S. 141. Einn Rundehll mitt schöner hochgetriebener Arbeyt. Wie N. die Schlüssel zu der Stadt N. Vorgetragen worden, gar schon verguldt Innwendig auf Rottem Sammet mitt goldt und liegenden Weibsbilderen allerley Franß schon gestickt, dergleichen auch der hohl ruck arm schling unnd handhabe rings umbhero Vonn frannßen goldt und rotter seiden.
Ein welscher Stormhut und dergleichen Kunstreichenn getriebenen erhobenen Arbeytt Dorauf die Römische Historie wie einer frawen ir Sohnn vonn des Kaysers sohnn im auszuge ertrettenn wirdt schonn vergult das Pappet inwendigk vonn rothenn seidem atlaß.
Im Ges. Inventar 1606, S. 911 heißt es zu dem Helm, der hier „eine spanische Schützenhaube von getriebener, mit Gold und Silber gezierter Arbeit“ genannt wird: „Hat Carl Tetta mit aus Italia bracht ao 88"(!)

Als Meister dieser Prachtstücke gilt heute wohl unbestritten der Mailänder Plattner und Goldschmied Lucio Piccinino, der Sohn des berühmten Klingenschmiedes Antonio Piccinino. Boeheim (Meister d. W. S. 164) hat, ausgehend von einer Inschrift auf dem Wiener Schild (N. 417) sein Werk zusammenzustellen versucht; Arbeiten seiner Art und Schule finden sich in zahlreichen Museen. Davon weist der Rundschild in Petersburg (Rockstuhl-Gille, a. a. O. T. 97, Album von Lenz T. XX, Kat. H. 53, S. 178) nicht nur die Bezeichnung MP (Magister Piccininus), sondern auch die beiden, aus A. Venezianos Stich der Scipioszene bekannten Kriegerfiguren des Dresdner Schildes auf. Der Zusammenhang der Vorbilder wird durch die Gleichartigkeit der Technik und des Kompositionsgedankens ergänzt. Die Dekoration der Innenseite findet in dem Futter des Schildes, das der berühmte Mailänder Giov. Batt. Serabaglio für den Erzherzog Ferdinand von Tirol schuf (Wien N. 448), ihr genaues Gegenstück, eine Arbeit, die Boeheim (Album II, Tafel 24) der Kunststickerin Catarina Leuca Cantona zuzuweisen geneigt ist, Die Dresdner Stücke, deren Zusammengehörigkeit übrigens erst 1683 vermerkt worden ist, dürften in den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts entstanden sein. – (FHM. E 95, 96.)

Empfohlene Zitierweise:
Erich Haenel: Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer. Karl W. Hiersemann, Leipzig 1923, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Haenel_Kostbare_Waffen.pdf/89&oldid=- (Version vom 6.1.2019)