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Seite:HansBrassTagebuch 1935-09-29 002.jpg

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Essen zu holen. Ich habe seit Sonnabend den 21.ten nichts Warmes mehr gegessen, sondern täglich nur 5 – 6 Scheiben Brot mit oder ohne Butter Dabei ist es seltsam, daß ich niemals Hunger verspüre. Trotzdem möchte ich Gott nicht herausfordern u. mich auf die Fortsetzung dieses Wunders einfach verlassen.

     Heute morgen war ich wieder einmal zum Hochamt in St. Gertraudis in der Frankfurter Allee. Kuratus Cieslik predigte sehr gut, sehr dogmatisch über das Sein der Engel. Es ist eine Freude, seine klaren Ausführungen zu hören, – wenn er bloß nicht so entsetzlich eitel in seinem Gehaben wäre.

     Nachdem ich das Buch „Gott in uns“ von R. Plus S.J. oberflächlich durchgelesen habe, habe ich gestern angefangen, es gründlich zu studieren.

     Mit diesem Buche ist es wieder einmal seltsam. Ich bin eben mit dem letzten u. gründlichen Studium des Buches „Aufstieg zum Berge Karmel“ von Joh. v. K. fertig geworden u. beherrsche nun das Ideengut dieses Buches vollständig. Joh. v. K. gibt sehr umständlich u. sehr gründlich die Technik an, wie man zur Vereinigung mit Gott kommen kann. Er beschreibt bis ins Letzte die Geisteshaltung, die man dazu einnehmen muß u. wenn man, wie ich es getan habe, diese Technik gründlich studiert u. möglichst vollständig in der Praxis anwendet, dann ist man zweifellos vorzüglich ausgerüstet; aber worin denn nun eigentlich diese Vereinigung mit Gott besteht, – das sagt Joh. v. K. nicht. Er deutet zwar an, daß diese Vereinigung ein Zustand sei, der von selbst eintreten wird wenn man alles treu befolgt, was er sagt, – aber es bleibt nach dem Studium des Buches doch unbefriedigend, daß man von der Sache selbst, vom Ziel, so gut wie nichts erfährt. –

     Und nun legt mir der l. Gott dieses Buch hin. Es lag im Hörsaal in Biesdorf aus, mit vielen anderen Büchern, aber dieses nur in einem einzigen Exemplar. Ich wollte es gleich gern kaufen, ohne zu wissen, was darin stand, denn der Name des Autors war mir bekannt; aber 3,45 Rm. war viel Geld für meine Verhältnisse, u. so zögerte ich. Ich dachte, vielleicht kauft es ein anderer, – dann ist die Versuchung weg; aber niemand kaufte es, – es wartete auf mich. Am letzten Tage habe ich's dann gekauft u. habe sogar 3,50 Rm. in die Kasse gelegt, weil ich nicht kleines Geld hatte. Dabei hatte ich eine böse Versuchung. Einer der jüngeren Herren ein Jurist, stand neben mir u. sagte. „Ich würde keine 3,50 Rm. bezahlen, – tun Sie doch eine oder zwei Mark in die Kasse, – das ist auch genug!“ – Diese Versuchung griff mich heftig an, – aber ich hab's doch nicht getan, u. ich freue mich nun darüber. –

     In diesem Buch beschreibt nun R. Plus klipp u. klar u. in einfacher, volkstümlicher Sprache, was denn nun eigentlich diese Vereinigung mit Gott ist. Er spricht von der Sache selbst, während Joh. v. K. vom Wege spricht, auf dem man zur Sache kommt. Und er sagt, daß diese Vereinigung mit Gott in u. durch die heiligmachende Gnade wohl der wesentlichste Gedanke des Christentums überhaupt ist, daß jedoch selbst viele Priester praktisch an diesem Gedanken vorbei gehen. Alle kennen das Dogma von der Gnade, denn sie haben es studiert, aber nur wenigen wird es zur Praxis.

     Hier scheint mir der Schlüssel zu liegen für die von mir überall beobachtete Tatsache, daß der kathol. Gedanke so selten, fast nie Wirklichkeit wird. Es wird darüber allerwärts gepredigt, – aber nicht getan.

     findet hier meine Ordens=Idee ihren festen Grund?

     Das Fest des hl. Erzengels Michael wurde heute bei uns

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1935-09-29. , 1935, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1935-09-29_002.jpg&oldid=- (Version vom 4.10.2024)