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TBHB 1935-09-29

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1935-09-29
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Entstehungsdatum: 1935
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Originaltitel: Sonntag, den 29. September 1935.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 29. September 1935
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Einführung

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Der Artikel TBHB 1935-09-29 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 29. September 1935. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über vier Seiten.

Tagebuchauszüge

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[1]
Sonntag, den 29. September 1935.     

[1]      Den Christuskopf habe ich sehr sorgfältig auf den Holzstock gezeichnet u. schon am Freitag mit Schneiden begonnen. Sehr große Mühe machte mir vorher jedoch das Zurechtschleifen der Stichel, da man sie nicht so im Handel bekommt, wie man sie braucht, man muß sie für die Strichbreiten, die man haben will, schleifen. Da ich mit solchen Handwerker-Sachen garkeine Erfahrung habe, wußte ich nicht, worauf es ankommt, doch habe ich so lange probiert, bis mir die richtige Form klar wurde.

     Das Schneiden selbst geht mir ziemlich leicht von der Hand, wenngleich es mir auch noch an Uebung fehlt, um absolut sicher zu sein u. letzte Feinheiten des Striches herauszubekommen. Das muß die Zeit bringen. Wenn dieser erste Schnitt sicher auch technisch noch unbeholfen sein wird, so ist er doch in der Zeichnung sehr gut. Ich bin, nachdem ich gestern sehr fleißig war, schon ziemlich weit gekommen, sodaß ich hoffe, am Montag mit dem Schneiden fertig zu werden. Dann kann ich, so Gott will, am Dienstag die ersten Abzüge machen.

     Ich hoffe bestimmt, daß ich von dieser Sache auch materiellen Vorteil habe, neben der Freude, die das Arbeiten selbst macht u. neben dem schönen Zweck dieser Arbeit, die einzig der höheren Ehre Gottes dienen soll.

     Meine Idee ist die, daß ich die Drucke zu lächerlich billigen Preisen verkaufen will. Dieses erste Blatt wird 16 x 28 cm groß sein. Wenn man dazu den Rand rechnet, bzw. ein Passepartout, dann ergibt sich eine respektable Blattgröße. Der Verkaufspreis soll jeweils den Betrag ausmachen, den ich für die Buchsbaumplatte ausgegeben habe, das ist in diesem Falle 5,25 Rm. Beim ersten Blatt, das ich verkaufe, würde ich also diese Unkosten wieder herein haben. Das übrige Material, dessen Neuanschaffung mir doch rund 50,– Rm. gekostet hat, muß sich nach u. nach amortisieren, – es ist ja eine einmalige Anschaffung, die für mein Leben so ziemlich ausreichen wird bis auf Papier u. Druckfarbe.

     Ich habe mir zur Pflicht gemacht u. habe es in der Kapelle Gott gelobt, daß der Ertrag jedes Erstdruckes, der verkauft wird für Gott ist, sei es für die Armen oder für sonstige Bedürfnisse der Kirche. Technisch denke ich mir den Verkauf so, daß ich die Drucke der Buchhandlung Herder u. den berliner Devotionalienhandlungen zum Verkauf in Kommission gebe. Dann aber will ich versuchen, möglichst viele Blätter privat zu verkaufen. Ich hoffe, daß Rektor Drüding im Hospiz einige Blätter verkaufen wird. Sodann will ich meiner Nichte Eva Blätter schicken damit sie im Annastift etwas verkaufen kann, ferner Frau Eikelschulte, die mir früher durch Pf. Pietryga öfter Almosen zukommen ließ u. die einen größeren Bekanntenkreis hat, sodann Kuratus Jokiel in Soldin, Dr. Tetzlaff, R. A. Vogt – Havelberg. So hoffe ich, langsam einen Kreis von Kunden zu gewinnen, die regelmäßig kaufen. Wenn auch der Erlös gering ist, so wird er ausreichen, daß ich täglich wenigstens eine warme Mahlzeit haben kann. Seitdem ich von Biesdorf (bzw. Ahrenshoop) zurück bin, kann ich mich nicht mehr überwinden, mir hier das [2] Essen zu holen. Ich habe seit Sonnabend den 21.ten nichts Warmes mehr gegessen, sondern täglich nur 5 – 6 Scheiben Brot mit oder ohne Butter Dabei ist es seltsam, daß ich niemals Hunger verspüre. Trotzdem möchte ich Gott nicht herausfordern u. mich auf die Fortsetzung dieses Wunders einfach verlassen.

     Heute morgen war ich wieder einmal zum Hochamt in St. Gertraudis in der Frankfurter Allee. Kuratus Cieslik predigte sehr gut, sehr dogmatisch über das Sein der Engel. Es ist eine Freude, seine klaren Ausführungen zu hören, – wenn er bloß nicht so entsetzlich eitel in seinem Gehaben wäre.

     Nachdem ich das Buch „Gott in uns“ von R. Plus S.J. oberflächlich durchgelesen habe, habe ich gestern angefangen, es gründlich zu studieren.

     Mit diesem Buche ist es wieder einmal seltsam. Ich bin eben mit dem letzten u. gründlichen Studium des Buches „Aufstieg zum Berge Karmel“ von Joh. v. K. fertig geworden u. beherrsche nun das Ideengut dieses Buches vollständig. Joh. v. K. gibt sehr umständlich u. sehr gründlich die Technik an, wie man zur Vereinigung mit Gott kommen kann. Er beschreibt bis ins Letzte die Geisteshaltung, die man dazu einnehmen muß u. wenn man, wie ich es getan habe, diese Technik gründlich studiert u. möglichst vollständig in der Praxis anwendet, dann ist man zweifellos vorzüglich ausgerüstet; aber worin denn nun eigentlich diese Vereinigung mit Gott besteht, – das sagt Joh. v. K. nicht. Er deutet zwar an, daß diese Vereinigung ein Zustand sei, der von selbst eintreten wird wenn man alles treu befolgt, was er sagt, – aber es bleibt nach dem Studium des Buches doch unbefriedigend, daß man von der Sache selbst, vom Ziel, so gut wie nichts erfährt. –

     Und nun legt mir der l. Gott dieses Buch hin. Es lag im Hörsaal in Biesdorf aus, mit vielen anderen Büchern, aber dieses nur in einem einzigen Exemplar. Ich wollte es gleich gern kaufen, ohne zu wissen, was darin stand, denn der Name des Autors war mir bekannt; aber 3,45 Rm. war viel Geld für meine Verhältnisse, u. so zögerte ich. Ich dachte, vielleicht kauft es ein anderer, – dann ist die Versuchung weg; aber niemand kaufte es, – es wartete auf mich. Am letzten Tage habe ich's dann gekauft u. habe sogar 3,50 Rm. in die Kasse gelegt, weil ich nicht kleines Geld hatte. Dabei hatte ich eine böse Versuchung. Einer der jüngeren Herren ein Jurist, stand neben mir u. sagte. „Ich würde keine 3,50 Rm. bezahlen, – tun Sie doch eine oder zwei Mark in die Kasse, – das ist auch genug!“ – Diese Versuchung griff mich heftig an, – aber ich hab's doch nicht getan, u. ich freue mich nun darüber. –

     In diesem Buch beschreibt nun R. Plus klipp u. klar u. in einfacher, volkstümlicher Sprache, was denn nun eigentlich diese Vereinigung mit Gott ist. Er spricht von der Sache selbst, während Joh. v. K. vom Wege spricht, auf dem man zur Sache kommt. Und er sagt, daß diese Vereinigung mit Gott in u. durch die heiligmachende Gnade wohl der wesentlichste Gedanke des Christentums überhaupt ist, daß jedoch selbst viele Priester praktisch an diesem Gedanken vorbei gehen. Alle kennen das Dogma von der Gnade, denn sie haben es studiert, aber nur wenigen wird es zur Praxis.

     Hier scheint mir der Schlüssel zu liegen für die von mir überall beobachtete Tatsache, daß der kathol. Gedanke so selten, fast nie Wirklichkeit wird. Es wird darüber allerwärts gepredigt, – aber nicht getan.

     findet hier meine Ordens=Idee ihren festen Grund?

     Das Fest des hl. Erzengels Michael wurde heute bei uns [3] groß gefeiert. Hatte ich mich dem auch heute morgen entzogen so ging das am Abend nicht, oder ich hätte an der Abendandacht nicht teilnehmen können.

     Die mit Goldbronze angestrichene Gipsfigur des hl. Michael, die über dem Portal zur Kapelle steht u. übrigens nicht schlecht aussieht, war schon gestern mit einer Girlande umgeben worden, in der kleine Glühbirnen brannten. Die Abendandacht begann mit einer Predigt des P. Petrus, in der er unter übermäßigem Stimmenaufwand, wie er es bei feierlichen Anlässen leider immer tut – die Figur des hl. Engels u. seine Funktionen beschrieb. Sodann wurde eine Prozession gebildet, voran Br. Benedikt mit dem Prozessionskreuz, dann die kleinen Chorjungens, die immer sehr niedlich aussehen, dann die Brüder in weißen Chorhemden dann P. P., rechts u. links begleitet von Pf. Burg u. P. Antonius, – d.i. der neue, junge Pater, der zur Unterstützung von P. P. jetzt hier ist, u. schließlich sämtliche Schwestern mit Kerzen. Dieser Aufmarsch der Schwestern hat für mich immer etwas Deprimierendes. Alle sehen elend u. blaß aus. Dazu kommt, daß ihre Tracht sehr unkleidsam ist, u. von den Gesichtern muß man sagen, daß man so ziemlich vergeblich nach Anzeichen von Intelligenz sucht. An das Ganze schloß sich die liebe Gemeinde an. Man ging, wie üblich in solchen Fällen, einige Male singend auf dem Hofe im Kreise herum. Besonders in der Dunkelheit sehen die Fabrikfronten des Hofes einem Gefängnishofe verzweifelt ähnlich.

     Inzwischen waren vor dem Kapelleneingang, d.h. vor jener Statue des hl. Michael, drei Kniebänke für die drei Geistlichen aufgestellt worden u. es begann nun eine Andacht indem Psalmen gelesen wurden. Sodann stimmte P. P. das Te Deum an u. man ging wieder in die Kapelle hinein, wo die gewöhnliche Abendandacht mit Segen gehalten wurde.

     Es war schrecklich voll u. ich sehe, daß diese Menschen von solchen Veranstaltungen schwer begeistert sind. Und darauf kommt es ja wohl an. Es ist belanglos, daß mir selbst solche Sachen ganz entsetzlich zuwider sind. Ich sehe darin nichts, als ein Theater u. blauen Dunst, den man den Leuten vormacht. Es ist garkein Zweifel, daß bei keinem dieser Gläubigen von einer inneren Andacht die Rede sein kann. Aber das wollen sie auch nicht. Sie wollen etwas sehen, sie wollen Sensation. Es ist naives, einfaches Volk u. es mag praktisch gut sein, ihnen solches Theater zu bieten, von dem sie noch lange reden u. das ihren Geist beschäftigt. Ich selbst stehe daneben wie ausgespuckt, ich geniere mich u. weiß nicht, in welche Ecke ich mich drücken soll, weil ich mir einbilde, daß jeder mir ansehen muß, wie mir jede Frömmigkeit fehlt, um da mitzutun. Das, was mich dabei so beunruhigt, ist garnicht so sehr die naive Freude der Leute an diesen Dingen. Das verstehe ich ganz gut u. wenn ich selbst auch nicht mitmachen kann, so könnte ich mich doch sehr wohl über diese kindliche Freude der Leute freuen. Man freut sich ja auch über spielende Kinder. Nein, – was mich abstößt ist diese fanatische Inbrunst, mit der P. Petrus dergleichen betreibt. Alles das liegt auf einer Linie: Damals der Abschluß der Maiandachten mit der Weihe an die Mutter Gottes, die scheußliche Fronleichnams-Prozession, die häufigen Einkehrtage für alle möglichen Leute, – jeden Monat wohl an zwei Sonntagen, die sog. „Sturmandachten“, an denen auf altchristliche Art mit ausgebreiteten Händen gebetet [4] werden muß u. in denen Lieder mit erhobenen Schwurfingern gesungen werden u. schließlich auch die lächerliche Uhr mit den Namen der angeblich tausend Kranken, die sich am Sühnegebet beteiligen sollen. Alles das ist scheußlicher, äußerer Sinnenreiz u. hat nichts mit Innerlichkeit u. wahrer Frömmigkeit zu tun. Nebenan ist das Johanneshaus mit den Obdachlosen denen man zwar Essen u. Trinken gibt u. ein Bett, aber sonst kümmert man sich nicht sehr um die Leute. Ach, – wie schrecklich scheint mir das alles. Ich weiß nicht, ob meine Kritik berechtigt ist. P. Petrus ist sicher ein heiliger Priester, – aber doch habe ich ein tiefes Gefühl der Abneigung gegen ihn u. alles, was er tut. Alles ist Fanatismus, fast scheint es mir zuweilen hysterisch. Wie verehrungswürdig erscheint mir dagegen ein P. Krächan mit seiner ruhigen, gelassenen u. temperierten, – wahrhaft, „geordneten“ Liebe u. Freundlichkeit. Ach, – auch er kann grob werden u. äußerst unliebenswürdig, – aber in seiner Unfreundlichkeit zittern schon die Tränen darüber, daß er's sein muß. Dagegen habe ich oft schon Gelegenheit gehabt zu beobachten, daß P. Petrus hart u. eisig kalt ist, wenn er jemanden nicht leiden mag, – u. wie oft sind das nur Vorurteile persönliche Antipatie bei ihm, ohne Grund, – ja, zuweilen kann er gehässig sein gegen Menschen, die meiner tiefsten Ueberzeugung nach sehr fromm u. rechtschaffen sind.

     Wahrlich, der liebe Gott hat mich hier in eine harte Schule geschickt. Möge Er mir Kraft u. Stärke verleihen, daß ich ohne Täuschung die rechte Lehre daraus ziehe u. nicht Schaden nehme an meiner armen Seele.