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     „Wenn also zu Zeiten alle natürlichen Hoffnungen sinnlos werden dann bleibt die übernatürliche Hoffnung die einzige Möglichkeit, sich auf das Sein auszurichten. Die verzweifelte Tapferkeit des heroischen Unterganges ist im Grunde nihilistisch, sie blickt auf das Nichts, sie vermeint, das Nichts ertragen zu können. Die Tapferkeit des Christen aber nährt sich aus der Hoffnung auf das Wirklichkeitsübermaß des Lebens, auf das Ewige Leben, auf einen Neuen Himmel u. eine Neue Erde.“ (Pieper)

Freitag, den 10. Juli 1936.

     Gestern war ich mit Maria zur Feier meines Geburtstages in das hiesige sogenannte „Kaffee Namenlos“ gegangen. Man sitzt dort ganz angenehm, es gibt einen guten Kaffee u. sehr guten Kuchen mit Schlagsahne, dazu hat man einen freien Blick auf's Meer. Außer zwei jungen Mädchen waren weiter keine Gäste dort, da wir ziemlich früh, bald nach 3 Uhr, gegangen waren, damit Maria möglichst früh wieder in ihr Geschäft gehen konnte.

     Als wir ein Weilchen gesessen hatten, kam ein Dampfer u. botete Gäste aus, die alsbald das Kaffee bevölkerten. Der Dampfer war unserer Vermutung nach aus Müritz. Für uns wurde es Zeit, zu gehen. Zu Hause angekommen, sehe ich zwei Schwestern über die Straße gehen. Richtig waren es Schwestern aus Müritz, die Oberin u. eine andere, die ich nicht kannte, – sie gingen in die Bunte Stube. Als ich auch dorthin ging, waren sie schon mit Maria in deren Wohnzimmer u. der Rektor war auch da. Maria zeigte ihnen grade das Marienbild von mir, – es schien ihnen allen sehr gut zu gefallen, auch zeigte Maria einen Korb voll Kleidungsstücke u. Wäsche, den sie für Müritz schon zurecht gemacht hatte, – wir freuten uns alle. – Wir gingen dann in die Bunte Stube, da waren alle Kinder aus dem Heim dort u. es war ein großer Trubel. Alle blieben ziemlich lange. Zufällig waren auch sonst viele Badegäste grade da, wohl auch von den Müritzer Ausflüglern. Mir kam es vor, als wäre der Rektor u. die Schwestern grade zu meinem Geburtstage gekommen, um mir Glück zu wünschen zum neuen Lebensjahr, – natürlich wußten sie garnichts davon. Ich blieb unter ihnen, bis sie nach Wustrow weiter gingen, denn der Dampfer wollte dort alle wieder an Bord nehmen. Maria u. ich hatten eine große Freude über diesen Besuch.

     Während dieses ganzen Ereignisses hatte aber, – ohne daß ich etwas davon gemerkt hatte, – der böse Feind nicht geruht. Jenseits der Straße, der Bunten Stube gegenüber, hatte der Oberpräsident der Provinz Pommern, der hier irgend etwas zu besichtigen hatte, gestanden, u. mit ihm der Amtsvorsteher aus Prerow, zu dessen Bezirk Ahrenshoop gehört. Dieser letztere ist ein sogenannter „alter Kämpfer“, ein früherer Arbeiter, der aus irgend welchen unbekannten Gründen einen Haß auf Maria u. ihre Bunte Stube hat u. der schon in der Judenhetze im vorigen Jahre seine Finger im Spiele gehabt hat. Dieser benutzte gestern die Gelegenheit, um den Oberpräsidenten ebenfalls gegen Maria zu hetzen, wozu ihm die Erscheinung des katholischen Priesters u. der beiden Schwestern Anlaß bot. Zum Glück war außerdem noch der Oberförster aus Born dabei u. der Staatsrat Lorenz aus Hamburg, der hier Sommergast ist u. ein Reichstagsabgeordneter v. Alvensleben, lauter Leute, die zwar dem Gesicht nach Nationalsozialisten sind,

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Hans Brass: TBHB 1936-07-10. , 1936, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1936-07-10_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.3.2024)