TBHB 1936-07-10

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1936-07-10
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Entstehungsdatum: 1936
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Originaltitel: Freitag, den 10. Juli 1936.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 10. Juli 1936
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Einführung

Der Artikel TBHB 1936-07-10 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 10. Juli 1936. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1] Freitag, den 10. Juli 1936.

[1]      Gestern war ich mit Maria zur Feier meines Geburtstages in das hiesige sogenannte „Kaffee Namenlos“ gegangen. Man sitzt dort ganz angenehm, es gibt einen guten Kaffee u. sehr guten Kuchen mit Schlagsahne, dazu hat man einen freien Blick auf's Meer. Außer zwei jungen Mädchen waren weiter keine Gäste dort, da wir ziemlich früh, bald nach 3 Uhr, gegangen waren, damit Maria möglichst früh wieder in ihr Geschäft gehen konnte.

     Als wir ein Weilchen gesessen hatten, kam ein Dampfer u. botete Gäste aus, die alsbald das Kaffee bevölkerten. Der Dampfer war unserer Vermutung nach aus Müritz. Für uns wurde es Zeit, zu gehen. Zu Hause angekommen, sehe ich zwei Schwestern über die Straße gehen. Richtig waren es Schwestern aus Müritz, die Oberin u. eine andere, die ich nicht kannte, – sie gingen in die Bunte Stube. Als ich auch dorthin ging, waren sie schon mit Maria in deren Wohnzimmer u. der Rektor war auch da. Maria zeigte ihnen grade das Marienbild von mir, – es schien ihnen allen sehr gut zu gefallen, auch zeigte Maria einen Korb voll Kleidungsstücke u. Wäsche, den sie für Müritz schon zurecht gemacht hatte, – wir freuten uns alle. – Wir gingen dann in die Bunte Stube, da waren alle Kinder aus dem Heim dort u. es war ein großer Trubel. Alle blieben ziemlich lange. Zufällig waren auch sonst viele Badegäste grade da, wohl auch von den Müritzer Ausflüglern. Mir kam es vor, als wäre der Rektor u. die Schwestern grade zu meinem Geburtstage gekommen, um mir Glück zu wünschen zum neuen Lebensjahr, – natürlich wußten sie garnichts davon. Ich blieb unter ihnen, bis sie nach Wustrow weiter gingen, denn der Dampfer wollte dort alle wieder an Bord nehmen. Maria u. ich hatten eine große Freude über diesen Besuch.

     Während dieses ganzen Ereignisses hatte aber, – ohne daß ich etwas davon gemerkt hatte, – der böse Feind nicht geruht. Jenseits der Straße, der Bunten Stube gegenüber, hatte der Oberpräsident der Provinz Pommern, der hier irgend etwas zu besichtigen hatte, gestanden, u. mit ihm der Amtsvorsteher aus Prerow, zu dessen Bezirk Ahrenshoop gehört. Dieser letztere ist ein sogenannter „alter Kämpfer“, ein früherer Arbeiter, der aus irgend welchen unbekannten Gründen einen Haß auf Maria u. ihre Bunte Stube hat u. der schon in der Judenhetze im vorigen Jahre seine Finger im Spiele gehabt hat. Dieser benutzte gestern die Gelegenheit, um den Oberpräsidenten ebenfalls gegen Maria zu hetzen, wozu ihm die Erscheinung des katholischen Priesters u. der beiden Schwestern Anlaß bot. Zum Glück war außerdem noch der Oberförster aus Born dabei u. der Staatsrat Lorenz aus Hamburg, der hier Sommergast ist u. ein Reichstagsabgeordneter v. Alvensleben, lauter Leute, die zwar dem Gesicht nach Nationalsozialisten sind, [2] die aber alle gern in die Bunte Stube kommen u. Maria wohlwollend gegenüberstehen. Diese alle haben dem fanatischen und beschränkten Amtsvorsteher gegenüber die Stange gehalten, doch war, wie mir Maria sagt, Herr von Alvensleben heute in der Bunten Stube u. hat Maria gesagt, daß sich gestern das Gespräch unter jenen Herren noch stundenlang um die Bunte Stube gedreht habe. – Er soll gesagt haben, daß Maria nichts zu fürchten brauche, doch solle sie sich möglichst ruhig verhalten u. nichts Besonderes unternehmen, denn man kann nicht wissen, wohin dieser merkwürdige Haß dieses Amtsvorstehers diesen noch führen kann. –

     Die Sommergäste sind nicht weniger vom Anblick des Priesters u. der Schwestern erregt worden, wie mir Maria sagt – u. selbst diejenigen, mit denen sie auf gutem Fuße steht, entblöden sich nicht, teils taktlose, teils gehässige Bemerkungen zu machen, darunter auch eine Frau eines berliner Herrn, die sich ihre „Freundin“ nennt u. mit der Maria seit Jahren freundschaftlich verkehrt.

     Maria selbst faßt die Sache schön auf. Sie erkennt diesen unbegreiflichen Haß der Protestanten gegen die Katholiken. Was ist geschehen? Ein Priester u. zwei Schwestern gehen still durch's Dorf hinter ihnen her eine Schar von armen Kindern, die von ihnen kostenlos verpflegt u. betreut werden, – u. alle Sommergäste benehmen sich wie Ameisen, in deren Haufen man einen Gegenstand geworfen hat. „Was wollen die hier?!“ fragt man. Als ob es Menschen wären, die kein Recht haben, durch das Land zu gehen. –

     Allerdings: der Unterschied, – der Gegensatz ist schreiend! Diese Schwestern in ihrer schwarzen Ordenstracht – daneben die „Damen“, bekleidet mit einem Hös'chen u. einem kleinen Tuch über den Brüsten. – Zwei Welten. –

     Maria erkennt das mit offenen Augen – u. mehr als eine hl. Messe ist es grade dies Ereignis, das ihr zeigt, auf welche Seite sie gehört. –