geltend – jedenfalls war es ein Zustand großer Müdigkeit u. Zerschlagenheit u. ich brachte die Energie nicht mehr auf, früher aufzustehen, als unbedingt nötig war. Inzwischen war dann mein Brevier zu Ende, mir fehlt der 2. Band, sodaß ich die Matutin garnicht beten kann – u. so unterbleibt es nun. – Trotzdem denke ich daran, daß hier vielleicht doch für mich das Feld meiner Tätigkeit sein könnte. Ich müßte allerdings dann erst mein Zimmer zweckentsprechend herrichten, das wäre das erste. Und dann müßte ich daran denken, mir einen kleinen Wagen anzuschaffen, um von Fritz u. seinem Auto unabhängig zu sein, denn es wird im Sommer sicher oft vorkommen, daß das Auto nicht zur Verfügung steht. Aber im Winter, wenn es wochenlang regnet, wird es trotzdem vorkommen, daß ich nicht nach Müritz kann, weil dann die Wege grundlos sind. So war es auch in diesem Frühjahr u. wenn Fritzens Ford nicht eine so starke Maschine hätte, so hätten wir da schon nicht fahren können.
Nur daß ich hier in der Führung meines Privatlebens sehr behindert bin, macht mir Sorge. Im Sommer frißt mich das Geschäft auf u. ich muß mich dessen erwehren, – aber auch im Winter wird die allzu starke Nähe Marias mit ihren vielen kleinen Ansprüchen für mich oft störend sein. Aber andererseits herrscht hier Ruhe u. Freundlichkeit, dazu die gute Luft, die Freiheit u. Unabhängigkeit in anderen Beziehungen. – Man weiß ja nicht, wie sich die politischen Dinge entwickeln werden, – sie sehen sehr düster aus. Die Regierung hat wegen einer Rede des Erzbischofs von Chikago, – Mundelein – einen Protest beim Vatikan eingelegt, denn dieser Erzbischof hat in einer Rede unseren Führer beleidigt. Daß unsere Zeitungen seit Jahren den Papst in unflätigster Weise beleidigt haben, ohne daß die Regierung dagegen etwas unternommen hat, – u. daß auch in zahlreichen öffentlichen Reden der Papst bei uns seit Jahren beleidigt worden ist, – das scheint bei uns niemand bemerkt zu haben. Jedenfalls sieht die Sache sehr bedrohlich aus u. man weiß nicht, was daraus wird. Tatsache ist jetzt schon jedenfalls, daß das Kinderheim St. Ursula in Müritz bis jetzt fast keine Kinder hat. Zwar meint die Oberin, daß das in den großen Ferien noch anders werden würde; aber sicher ist der Ausfall in der Vorsaison bedeutend u. man ist wegen des Fortbestehens des Heimes sehr besorgt. Es kann ja kein Zweifel sein, daß die Regierung, wenn sie es will, alle kathol. Ordensheime zum Erliegen bringen kann, – u. es ist auch kein Zweifel, daß sie diesen Wunsch hat; es fragt sich nur, wie weit sie entschlossen ist, diesen Wunsch zu verwirklichen. –
Politisch spitzen sich die Dinge mehr u. mehr zu. Da ist jetzt der Zwischenfall in Spanien gewesen, wo unser Kriegsschiff „Deutschland“ von Fliegerbomben getroffen wurde u. wo daraufhin die Stadt Almeria von unseren Schiffen bombardiert wurde. Im Innern sehen die Dinge immer böser aus. Hier auf dem Lande ist die Stimmung gegen die Regierung viel offenkundiger u. unverhohlener, wie in der Stadt u. man schimpft laut u. ungeniert. Die Rohstoffknappheit wird immer schärfer, – auch unsere Lieferanten können vieles
Hans Brass: TBHB 1937-06-06. , 1937, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1937-06-06_003.jpg&oldid=- (Version vom 5.4.2024)