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sich aber doch erholt zu haben, – sie müssen weit im Osten eben ungeheure Fabriken haben, von denen bei uns vor Kriegsausbruch kein Mensch eine Ahnung gehabt hat. Es ist zu fürchten, daß die Leute bei uns noch von vielem anderen auch keine Ahnung gehabt haben, – u. vielleicht noch heute keine Ahnung haben!

     Herr Dr. Goebbels hat im Reich seinen üblichen Leitartikel erscheinen lassen: „Der totale Krieg“. – Daß wir einen „totalen Krieg“ führen, das war uns einfachen Menschen schon von Anfang an gesagt worden, aber nun soll er offenbar noch totaler werden! Herr Goebbels wendet sich mit einer befremdenden Gereiztheit gegen einen „gewissen kleinen Teil unseres Volkes“, der noch immer nicht die „unausweichliche u. harte Notwendigkeit“ dieses „Volkskrieges“ einsehen will. Obgleich er von einer „kleinen Minderheit“ spricht, hält er es doch für nötig, einen derartig geharnischten Sonderartikel gegen diese Leute zu schreiben, – obgleich er selbst zugibt, daß ein solcher Artikel Wasser auf die Mühle der Feindpropaganda abgeben wird. – Die Weisheit eines solchen Verfahrens bleibt mir verschlossen. Herr G. schreibt: „Wer diesen Krieg verliert, der wird von der Bühne der schicksalbestimmenden Mächte abtreten müssen; wer ihn gewinnt, der ist damit auch endgültig Herr seines eigenen Schicksals geworden,“ – u. er fährt fort, indem er die Meinung äußert, als hätten wir diese Sachlage noch nicht im vollen Umfange erkannt. – Oh doch, Herr Dr. G. – wir haben das längst erkannt, vielleicht sogar viel früher, als Sie selbst, – u. vor allem wäre es sehr viel besser gewesen, wenn der Führer diese Sachlage früher erkannt hätte. Dann wäre dieser Krieg vielleicht nie ausgebrochen. Hitler sagt in „Mein Kampf“ über die Orientierung der Ostpolitik, daß er aus zwei Gründen das Verhältnis Deutschland – Rußland besonders behandeln müsse, 1): weil es sich um die vielleicht entscheidendste Angelegenheit der deutschen Außenpolitik überhaupt handele, u. 2): weil diese Frage der Prüfstein sei, ob seine politische Fähigkeit, klar zu denken u. richtig zu handeln, ausreichend sei, – wobei er allerdings die Verantwortung etwas von sich persönlich abschiebt u. nur von der politischen Fähigkeit der NSDAP spricht. Er meint, daß ihm dieser zweite Punkt zuweilen bange Sorge mache, – – u. offenbar mit Recht! – Ausgangspunkt seiner Politik ist danach der Gedanke, daß nur ein genügend großer Raum auf der Erde einen Volke die Freiheit des Daseins sichern könne. – Ich nehme an, daß Herr Hitler diesen Satz auch für alle anderen Völker als gültig gelten läßt. – Nachdem Herr H. feststellt, daß wir bei Abfassung seines Buches keine „Weltmacht“ mehr gewesen wären, fährt er fort, daß es die große Mission der Nazis sei, aus uns wieder eine Weltmacht zu machen, d. h. neuen Grund und Boden durch Krieg zu erobern. – Nachdem er es ablehnt, sich etwa mit den alten Grenzen von 1914 zu begnügen, kommt er zu dem Schluß: „Deutschland wird entweder eine Weltmacht, oder überhaupt nicht sein!“

     Nachdem Hitler so seine Absicht, einen Krieg zu entfesseln, klar enthüllt hat, erklärt er genauerhin, daß er den alten Germanenzug vom

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Hans Brass: TBHB 1943-01-17. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-01-16_001.jpg&oldid=- (Version vom 1.5.2024)