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Seite:HansBrassTagebuch 1943-10-03 001.jpg

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an einer ziemlich großen Eitelkeit leidet, das Unglück zugestoßen, eine Frau kennen zu lernen, mit der er in eine ziemlich heftige Liebesaffaire begann. Das scheint in Lietzmannstadt passiert zu sein, wo er Bataillonskommandeur war. Nachher ist dann noch eine zweite Frau in derselben Art in sein Leben getreten und diese Affaire spielt gegenwärtig immer noch. – Frau Vogt, die in der Familie die Einzige ist, die dem Glauben treugeblieben ist, wenngleich sie auch natürlich heftige Schwankungen durchmachen mußte, hat sich bei diesen Irrungen ihres Mannes anscheinend heldenhaft benommen. Sie scheint allerdings sehr lange nicht mehr die Sakramente empfangen zu haben u. scheut sich nun vor der Beichte; aber das habe ich ihr sehr energisch auszureden versucht. Am 5. Oktober will nun ja unser Pfr. Dobczynski aus Barth herüberkommen. Ich werde ihn vorher informieren u. werde Frau Vogt einfach in die Beichte hineinstoßen. – Es ist erschütternd, was den Menschen nicht alles passieren kann. Vogt muß sicher 60 Jahre alt sein, – u. dennoch solche Dummheiten!

     Heute hörte ich, daß die Deutschen das „Protektorat“ über die Vatikanstadt übernommen haben, sodaß der hl. Vater buchstäblich der Gefangene der Deutschen ist. –

     Nachmittags war Herr Umlauff bei uns.

Sonntag, den 3. Oktober 1943.     

     Am Mittwoch kam überraschend Fritz, nachdem er schon am Montag von Berlin aus angerufen hatte. Er hat es ermöglicht, einen Sonderurlaub zu erhalten zur Regelung seiner Ehe-Angelegenheit. In Berlin konnte er feststellen, daß Bohners bereits einen Rechtsanwalt genommen u. eine Ehescheidungsklage vorzubereiten begonnen hatten. Da es ihnen an jeglichen stichhaltigen Gründen fehlte, machte Herr Dr. B. Fritz gegenüber Einschüchterungsversuche, indem er mit der Anzeige gewisser innerer Vorgänge in der Bunten Stube drohte, in die Margret im Sommer Einblick bekommen hatte. Fritz, der nach Berlin gekommen war in der Hoffnung, doch noch alles wieder einränken zu können, war wie aus den Wolken gefallen. Nachdem er mit Margret gesprochen u. diese ihn kalt u. verletzend behandelt hatte, überzeugte er sich, daß eine Aufrechterhaltung dieser Ehe unmöglich war u. erklärte sich bereit, in die Scheidung einzuwilligen. Er ging mit seinem Schwiegervater zu dessen Rechtsanwalt, der die Sache bereits bearbeitet hatte u. der Fritz einen Kollegen benannte, welcher seine Interessen wahrnehmen sollte. Nach Fritzens Schilderung sind diese beiden Anwälte die einzigen anständigen Menschen in diesem ganzen Spiel. Fritz erklärte sich bereit, eine formelle Schuld auf sich zu nehmen, indem er zugab, mit einer nicht genannten und erfundenen Nachrichten-Helferin in Frankreich inzwischen Beziehungen angeknüpft zu haben. Herr Dr. B. erklärte, die sämtlichen Kosten tragen zu wollen u. seine Tochter solle nicht das Recht haben, den Namen Wegscheider weiter zu tragen. – Ob das Gericht sich damit begnügen wird, die angebliche Beziehung zu dieser nicht genannten Nachrichten-Helferin als einzigen Scheidungsgrund gelten zu lassen, ohne darauf zu bestehen, daß diese fingierte Person als Zeugin vernommen wird, bleibt abzuwarten. Früher wäre das unmöglich gewesen, aber im nationalsozialistischen Staat mag das ja gehen. – Nachdem Fritz das geregelt hatte, kam er zu uns u. reiste gestern Vormittag wieder ab. Der arme Kerl ist wirklich zu bedauern. Er war überaus niedergeschlagen. Aber es ist das erste Mal, daß ihm etwas wirklich bis in die innerste Seele gegangen ist u. wir erhoffen davon daß es eine Wendung für ihn bedeuten möge. Er wird vielleicht dadurch zu einer ernsteren u. tieferen Lebensauffassung gelangen – u. dann möge dieses Unglück gesegnet sein. – Ich habe ihm die Bekenntnisse des hl. Augustin als Lektüre mitgegeben.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1943-09-26. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-10-03_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2024)