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Seite:HansBrassTagebuch 1943-11-21 001.jpg

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wieder neu aufzumöbeln, was denn wohl auch bei der Mehrzahl dieser Herde gelungen ist. Er hat zwar nicht gesagt, auf welche Art er das Schicksal wenden u. diesen Krieg noch gewinnen will, sondern er hat im Gegenteil zugestanden, daß Amerika für uns unerreichbar ist, aber er hat dafür angedeutet, daß er den Krieg auch dann noch weiter führen wird, wenn er demnächst auf deutschem Boden stattfinden sollte. – Gleichzeitig hat Churchill eine Rede gehalten, die ebenfalls recht hoffnungslos klang insofern, als er der Meinung ist, daß dieser Krieg in diesem Jahre noch nicht sein Ende finden wird, sondern erst im nächsten Jahre, u. daß bis dahin noch Kämpfe stattfinden würden, die blutiger sein würden als alles, was die Weltgeschichte bisher gesehen hätte. Diese Ansicht ist um so betrübender, als man nach der Moskauer Konferenz ganz Anderes erwarten durfte, denn dort wurde gesagt, daß man diesem Kriege nun so rasch wie möglich ein Ende machen u. die zweite Front in absehbarer Zeit aufgezogen werden würde. Ich hatte gehofft, daß dies noch in diesem Herbst geschehen würde, denn den Engländern muß doch allmählich die ungeheure russische Kraftentfaltung selbst unheimlich werden. Das scheint aber doch nicht der Fall zu sein, wenn die Rede Churchills nicht ein absichtlicher Bluff ist, um uns in Sicherheit zu wiegen.

     Unsere Andacht heute morgen: Frau Monheim mit Berni, Martha Bahnson u. Marianne Bierwirth.

     Mittwoch Abend kam Prof. Erich Seeberg, um mir ein Buch zurückzubringen. Er wollte wohl etwas länger bleiben, ging dann aber, als er hörte, daß Frau Ziel u. ihre Tochter Marianne zum Unterricht kamen. – Am Dienstag Vormittag war erstmalig Frau Smith zum Unterricht, aber wie ich höre, ist sie inzwischen schon wieder nach Bln. gereist. Daraus wird nicht viel werden.

Sonntag, 21. November 1943.     

     Martha Bahnson ist am Freitag wieder nach Hmb. zurückgefahren. Die Arme war sehr herunter mit ihren Nerven, total überanstrengt. Kein Wunder bei einer zehnstündigen Arbeitszeit, wo sie gesundheitlich nicht einmal Normales leisten kann. Sie bekam bei uns ein heftiges Ischias, sodaß wir Dr. Meyer holten. Er sagte, daß die Ursache eine totale Ueberanstrengung sei. Prof. Sudek, der in diesem Jahre noch immer hier ist, empfahl sie an einen Arzt im Eppendorfer Krankenhause. –

     Gestern kam Prof. Erich Seeberg u. brachte uns einen Brief seines Schwagers Dr. Th. Bohner, in dem dieser versucht, seine Tochter Margret zu rechtfertigen. Erich S. war empört. Herr B. unternimmt es tatsächlich, seine Tochter zu verteidigen, indem er nicht ohne Genugtuung von dem „Zigeunerblut“, spricht, welches er von seinem Urgroßvater her haben will, der, wie er stolz schreibt, ein Seiltänzer gewesen sei. Im Uebrigen führt er noch weitere Dinge an, die er Fritz u. auch uns vorwirft, die allesamt unwahr oder verdreht sind. Dieser Brief ist eine Unverschämtheit. Die moralische Minderwertigkeit, die daraus spricht, mag ja ebenfalls auf jenen Seiltänzer zurückzuführen sein.

     Heute zur Andacht Frau Monheim u. Trude. Frau M. erzählte nachher von ihren Aengsten, die sich besonders um ihren Aeltesten drehen, der im Februar 15 Jahre wird u. dann zur Flak kommen soll. Alles das ist empörend!

     Differenz mit Frau Vogt, die sich darüber ärgert, daß wir sie nicht besucht haben, als sie krank war. Wir haben aber von ihrer Krankheit nichts gewußt. Alberne Person. –

     In dieser Woche Angriff auf Bln., es scheint aber nicht so, als wäre er zur gewünschten Durchführung gekommen.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1943-11-14. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-11-21_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.5.2024)