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Seite:HansBrassTagebuch 1943-12-01 001.jpg

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ist beim Druck der Rede von Goebbels gestrichen worden, sodaß nur die direkten Zuhörer ihn gehört haben. Das heißt also nichts anders, als: „ich werde weiterkämpfen bis zur völligen Zertrümmerung Deutschlands, auch wenn ich selbst überzeugt bin, daß ein Sieg nicht mehr möglich ist.“ – u. so ist es! Dieser Mann wird Deutschland bis auf die Grundmauern ruinieren, das brauchen dann die Engländer nicht mehr zu tun. Man sagt immer, er wäre verrückt. Mag sein. Aber in diesem Falle denkt er sehr folgerichtig, denn eine zugegebene Niederlage wäre sein Ende genau so wie eine völlige Vernichtung Deutschlands, – aber das Letztere zögert sein Ende um eine gewisse Zeit hinaus. – In diesem Falle ist nicht er der Verrückte, sondern das deutsche Volk, daß diesen tollwütigen Anstreicher nicht beseitigt. Dieses arme Volk wird noch Fürchterliches erleben. – Je länger es dauert, um so inbrünstiger klammert sich das Volk an die geheimnisvolle neue Waffe, die angeblich in den nächsten Tagen zum Einsatz kommen soll. Schlägt auch diese fehl, – u. sie muß es unbedingt, – dann wird das Volk aus seinem fürchterlichen Wahn erwachen, – vorher nicht. Und sie muß fehlschlagen, denn wenn man eine Waffe hätte, die in kurzer Zeit, sagen wir in 4 Wochen, ganz London dem Erdboden gleichmachen würde, dann wäre damit der Krieg ja keinesfalls gewonnen, – nicht einmal entscheidend beeinflußt, denn hinter England steht Amerika. Selbst, wenn es in England darüber zu einer Revolution käme, was keinesfalls zu erwarten ist, – u. selbst wenn ganz England aus dem Kriege durch diese Waffe hinausgeboxt werden würde, so würde das noch kein Sieg über Amerika sein. Die englischen Armeen würden dann unter amerikanischer Führung weiterkämpfen, genau wie die Franzosen, die Polen, die Serben usw. weiterkämpfen u. genau wie die Italiener weiterkämpfen. Und von den Russen ist dabei noch garkeine Rede!

Mittwoch, 1. Dezember 1943.     

     Man sagt, daß sich M. v. Paepke demnächst mit dem Baron v. Viereck, dessen Frau gestorben ist, verloben werde. Jedenfalls hat sie von ihm einen guten Hasen geschickt bekommen. Da sie allein ist, bot sie uns an, daß dieser Hase in unserem Hause zubereitet u. verzehrt werden solle, – Bedingung: daß ihre Freundin Frau Oberst Sulzberger dazu eingeladen würde, welche z. Zt. neben uns im Hause der Gräfin Dohna wohnt. Eigentlich sollte dieses Hasenessen am Montag stattfinden. Da an diesem Tage aber infolge Sturmes die Leitung zerstört war u. wir den elektr. Herd nicht benutzen konnten, mußte dieses Fest auf gestern verschoben werden. Ich hatte noch eine Flasche Moselwein im Keller liegen, die ich zu dieser Gelegenheit spendierte. – Mary v. P. gönne ich dieses späte Glück von Herzen, sie ist schon ein recht betagtes Mädchen. Frau Sulzberger ist eine reizend aussehende, aber überaus langweilige u. leere Frau, mit der man kein vernünftiges Gespräch führen kann. –

     Ich höre, daß wieder einmal die Finanzkommission im Orte sein soll. Da wir bei der letzten Kontrolle übergangen worden sind, obgleich wir eigentlich fällig waren, wird sie wohl diesmal zu uns kommen u. unsere Bücher durchschnüffeln. Die Einkommensteuer ist seit 1939 nicht mehr neu veranlagt worden, sodaß jeder das Einkommen versteuern muß, was er vor Kriegsausbruch gehabt hat. Bei den kleinen Leuten ist das Einkommen natürlich zurückgegangen u. sie müssen also viel zu viel zahlen, dagegen sind die Einkommen der zahlreichen Kriegsgewinnler sehr gestiegen. Die zahlen also alle zu wenig. Das ist dann Sozialismus!

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1943-11-29. , 1943, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-12-01_001.jpg&oldid=- (Version vom 26.5.2024)