Zum Inhalt springen

TBHB 1943-11-29

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: TBHB 1943-11-29
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1943
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel: Montag, 29. November 1943.
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 29. November 1943
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
unvollständig
Dieser Text ist noch nicht vollständig. Hilf mit, ihn aus der angegebenen Quelle zu vervollständigen! Allgemeine Hinweise dazu findest du in der Einführung.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


Einführung[Bearbeiten]

Der Artikel TBHB 1943-11-29 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 29. November 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge[Bearbeiten]

[1]
Montag, 29. November 1943.     

[1]      Gestern wieder einmal eingehenden Brief an Fritz geschrieben zu seinem Geburtstag am 4. Dezember. Ich habe mal die Sache umgedreht u. habe Margret zwar nicht verteidigt, aber doch die psychologischen Voraussetzungen zu ihrem Verhalten gesucht, um Fritz daran klar zu machen, wo seine eigenen, grundlegenden Mängel liegen. Hoffentlich hat es bei ihm endlich mal den Erfolg zur Selbsterkenntnis.

     Abends gegen 5 Uhr traf Pfr. Kolotczyk aus Marlow ein. Er brachte seine Pfarrhelferin mit, ein etwas bedarftes Mädchen. Um 1/2 6 Uhr, kamen die ersten Gottesdienstteilnehmer, die vorher beichten wollten. Es wurden immer mehr, sodaß wir erst etwa 1/4 nach 6 Uhr mit der hl. Messe beginnen konnten. Es waren 21 Teilnehmerinnen einschl. Dr. Krappmann u. mir selbst, die einzigen Männer. Das Zimmer war sehr voll. Die Messe war sehr feierlich, es wurden 8 Kommunionen ausgeteilt. Die reizende Frau Sommerhof war da u. natürlich Frau Monheim mit ihren beiden Jungens. Auch unsere Nachbarn Frau Bierwirth mit Jup u. Marianne u. Frau Beichter waren da. Ich hatte den Altar schön geschmückt, wozu zwei blühende Geranien gut halfen. Rechts vom Altar ein Adventskranz mit einer Kerze, links unsere hübsche Krippe, ebenfalls mit einer Kerze. Nach der Messe ging der Pfarrer mit Frau Dr. Kemper u. die [2] Pfarrhelferin mit Frau Monheim. – Vorher hatte sich Pfr. K. bereit erklärt, heute früh um 8 Uhr noch eine Messe zu lesen. Ich hatte nicht geglaubt, daß dazu sehr viele Menschen kommen würden, doch irrte ich mich. Trotzdem in der Nacht starker Sturm eingesetzt u. unser Lichtleitungsnetz kaputt geschlagen hatte, kamen doch viele Menschen, vor allem die alte Frau Longard, die gestern Abend wegen der Dunkelheit nicht kommen konnte. Auch Frau Prof. Triebsch war da. – Es wurde wieder von allen kommuniziert. – Nach der Messe frühstückten wir mit dem Pfarrer + seiner Helferin u. dann mußten die beiden bald fort, denn sie mußten um 1/2 11 Uhr den Dampfer in Wustrow benutzen. Da starker Südwest war, werden sie ihre Räder wohl haben schieben müssen, denn dieser Wind war ihnen entgegen u. die Chaussee ist völlig Schutzlos. – Martha u. ich räumten dann gleich wieder das Zimmer ein. Wir waren beide von gestern u. heute sehr angestrengt u. nicht fähig, am Tage noch viel zu tun. Außerdem hatten wir bis 3 Uhr nachmittags keinen Strom u. konnten darum kein Mittagessen kochen. Es fiel darum aus. Von 4 – 5 Uhr gab ich Jens u. Lothar Religionsstunde.

     Gestern nach der Messe blieben Krappmanns noch etwas da. Sie berichteten von Schweinfurt. Die Kugellager-Fabriken sind so gut wie völlig zerstört. Da die Fabriken aber auf Vorrat gearbeitet u. diese Vorräte auf Ausweichlager verteilt hatten, kann zunächst ein Mangel an Kugellagern nicht eintreten. Aber das ist natürlich mehr oder weniger bei allen Rüstungsbetrieben so. Es handelt sich jetzt darum, die Fabriken so rasch wieder aufzubauen, daß sie wieder betriebsfähig sind, wenn die Vorräte aufgebraucht sind. Daß das gelingt, ist kaum anzunehmen. Außerdem fehlt es ja auch an dem nötigen Material zum Wiederaufbau. – Sehr anschaulich erzählte Dr. K. von seiner Rückreise durch Berlin, wo er eintraf am frühen Morgen nach der ersten Bombennacht. Der Zug fuhr bis zu irgend einem Ort kurz vor Berlin, wo alles aussteigen mußte. Nach langem Warten kam ein kleiner Autobus, um die Leute weiter zu bringen, aber es waren natürlich Hunderte, die mitfahren wollten. Es gelang Dr. K. und seiner Frau mitsamt Gepäck mitzukommen, – er war in Uniform, das hat ihm geholfen. Er beschreibt die Fahrt in diesem Omnibus, die fürchterlich gewesen sein muß. Ich glaube, er ist bis Schöneberg gekommen, wo man Dampfzüge auf der Hochbahn eingesetzt hatte, wenn ich nicht irre. Jedenfalls wollte er zum Stettiner Bahnhof, doch stellte sich heraus, daß auch dieser in Flammen stand u. unbenutzbar war. Mit allen möglichen Mitteln ist er schließlich bis nach Oranienburg gekommen. Diese Fahrt durch Berlin bis zur Weiterfahrt von Oranienburg hat 15 Stunden gedauert. – Die Stimmung der Berliner war natürlich verzweifelt u. von der humorvollen oder heldenhaften Haltung der Bevölkerung, von der in der Zeitung geschwafelt wird, hat er keine Spur bemerkt. Was er von Bln. gesehen hat, war grauenvoll. – In Schweinfurt meint Dr. K. wäre die Stimmung aber noch viel schlechter gewesen, weil die Menschen im Süden freier sind u. aus sich herausgehen, während hier im Norden die Menschen schweigen. – Die DAZ. ist seit dem ersten Angriff bis jetzt noch nicht erschienen, wahrscheinlich ist auch sie zertrümmert. Es sind nun in der letzten Woche 4 Angriffe gewesen, bei denen insgesamt 7 Millionen Kilo Bomben auf Berlin gefallen sind. Bei anderen Angriffen in der letzten Woche sind auf ganz Deutschland u. besetzte Gebiete verteilt nochmals 7 Millionen Kilo geworfen worden. –

     In seiner Rede am 8. Nov. in München hat der Führer dem Sinne nach Folgendes gesagt: „Ich werde weiter kämpfen bis zum Siege, auch wenn darüber in Deutschland noch viel mehr zertrümmert wird, – u. sollte das Deutsche Volk da nicht mittun wollen, dann würde ich es verachten müssen.“ – Dieser Satz [3] ist beim Druck der Rede von Goebbels gestrichen worden, sodaß nur die direkten Zuhörer ihn gehört haben. Das heißt also nichts anders, als: „ich werde weiterkämpfen bis zur völligen Zertrümmerung Deutschlands, auch wenn ich selbst überzeugt bin, daß ein Sieg nicht mehr möglich ist.“ – u. so ist es! Dieser Mann wird Deutschland bis auf die Grundmauern ruinieren, das brauchen dann die Engländer nicht mehr zu tun. Man sagt immer, er wäre verrückt. Mag sein. Aber in diesem Falle denkt er sehr folgerichtig, denn eine zugegebene Niederlage wäre sein Ende genau so wie eine völlige Vernichtung Deutschlands, – aber das Letztere zögert sein Ende um eine gewisse Zeit hinaus. – In diesem Falle ist nicht er der Verrückte, sondern das deutsche Volk, daß diesen tollwütigen Anstreicher nicht beseitigt. Dieses arme Volk wird noch Fürchterliches erleben. – Je länger es dauert, um so inbrünstiger klammert sich das Volk an die geheimnisvolle neue Waffe, die angeblich in den nächsten Tagen zum Einsatz kommen soll. Schlägt auch diese fehl, – u. sie muß es unbedingt, – dann wird das Volk aus seinem fürchterlichen Wahn erwachen, – vorher nicht. Und sie muß fehlschlagen, denn wenn man eine Waffe hätte, die in kurzer Zeit, sagen wir in 4 Wochen, ganz London dem Erdboden gleichmachen würde, dann wäre damit der Krieg ja keinesfalls gewonnen, – nicht einmal entscheidend beeinflußt, denn hinter England steht Amerika. Selbst, wenn es in England darüber zu einer Revolution käme, was keinesfalls zu erwarten ist, – u. selbst wenn ganz England aus dem Kriege durch diese Waffe hinausgeboxt werden würde, so würde das noch kein Sieg über Amerika sein. Die englischen Armeen würden dann unter amerikanischer Führung weiterkämpfen, genau wie die Franzosen, die Polen, die Serben usw. weiterkämpfen u. genau wie die Italiener weiterkämpfen. Und von den Russen ist dabei noch garkeine Rede!