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Seite:HansBrassTagebuch 1944-06-08 001.jpg

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die angebliche Unüberwindlichkeit des Atlantikwalles, von dem man uns die größten Wunderdinge erzählt hat u. der nun an der Seinebucht in wenigen Stunden zusammengeschossen worden ist. – Ebenso heißt es jetzt, daß wir Rom nur deshalb aufgegeben hätten, um die europäische Kultur zu retten, – als ob es in unserer Hand gelegen hätte, Rom zu halten, u. man faselt davon, daß nun nördlich Rom eine neue Verteidigungslinie gehalten werden würde. Diesem Volk kann man alles vorreden.

     Die Landungsstelle liegt östlich von Granville, wo Fritz zuletzt war. Es ist es wieder einmal eine glückliche Fügung, daß er rechtzeitig von dort fortgekommen ist.

     Es wird nun darauf ankommen, wie rasch es uns gelingen wird, genügend Truppen links der Seine zu sammeln u. wie rasch es den Engländern glücken wird, genügend Verstärkungen herüber zu bringen. Es wird ihnen das nicht schwer fallen, während wir sehr große Schwierigkeiten haben werden. Außerdem glaube ich nicht, daß es bei dieser einen Landung bleibt, ja, es scheint nicht ausgeschlossen, daß diese Landung überhaupt ein groß angelegter Bluff ist, mit dem Zweck, unsere Truppen dorthin zu locken u. sie dann durch eine weiter östlich erneute Landung abschneiden zu können. Auch wird nun ja die neue, ganz große Offensive der Russen beginnen, die wohl darauf angelegt sein wird, unseren ganzen Nordflügel im Baltikum abzuschneiden.

     Hitler hat einmal damit geprahlt, daß der Atlantikwall unbesiegbar sei. Er sagte, daß der Landende von Glück sagen könne, wenn er neun Stunden an Land bleiben, würde. Nun sind die Angloamerikaner bereits erheblich länger als neun Stunden am Lande! Es wird sich nun zeigen, ob er sie überhaupt wieder hinauswerfen kann. Es ist immer gesagt worden, daß diese Invasion unsere große Chance wäre, es wurde so getan, als bestünde kein Zweifel, daß wir sie wieder hinauswerfen würden u. daß dann der Krieg zu unseren Gunsten ausginge. Es wird sich nun erweisen, ob auch das nur große Worte waren.

Donnerstag, 8. Juni 1944     
Fronleichnam.     

     Gestern Nachmittag kam Klaus' geschiedene Frau Irmingard mit den Jungens Jens u. Peter u. ihrem Mädchen Martl. Die Jungens sollen mit dem Mädchen hier bleiben. Der kleine Peter, 3 Jahre, schläft mit Martl im Zimmer 3 im kleinen Haus. Jens in der Bodenkammer im sog. D=Zug. Jens ist so wie er war, als er vorher bei uns war, nur etwas verwildert, ich muß ihn wohl etwas zusammenstauchen, Peter ist ein niedlicher Junge.

     Heute Marthas Geburtstag. Vormittags gratulierten Ziels mit Fliederstrauß, früh waren schon Küntzels da gewesen. Auch Agnes Borchers-Papenhagen gratulierte, brachte Flieder, Radieschen aus dem Garten, eine selbst gefertigte Speise u. ein Bild Reproduktion eines Aquarells eines Kriegsmalers, Landschaft im Schnee mit russ. Kirche, – sehr hübsch.

     Nachmittags 4 Uhr große Kaffee-Gesellschaft: Küntzels, Gretl Neumann, Irmingard, Frl. v. Tigerström, Frau Carmen Grantz die gestern mit ihrer alten Mutter aus Berlin wieder hier eingetroffen war, Gesine Meisner, Frl. Maria Berger, Marianne Clemens u. unsere Trude Dade. Frau Schönherr war auch eingeladen, sagte aber ab. Paul

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Hans Brass: TBHB 1944-06-06. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-06-08_001.jpg&oldid=- (Version vom 9.6.2024)