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TBHB 1944-06-06

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1944-06-06
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Entstehungsdatum: 1944
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Originaltitel: Dienstag, 6. Juni 1944.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 6. Juni 1944
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Einführung

Der Artikel TBHB 1944-06-06 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 6. Juni 1944. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Dienstag, 6. Juni 1944.     

[1]      Rom ist Sonntag abend von den Alliierten eingenommen worden, heute stehen sie bereits weit nördlich dieser Stadt. Unser Rückzug scheint überaus verlustreich zu sein.

     Die zweite Sensation: heute früh 6 Uhr hat endlich die Invasion begonnen. An mindestens zwei Stellen der Normandie sind Engländer, Kanadier u. Amerikaner gelandet mit annähernd 4000 Schiffen u. weiteren 4000 kleineren Fahrzeugen. Erhebliche Fallschirm=Truppenverbände sind im Raume hinter dem Atlantikwall gelandet. Während der Nacht u. während der Landung haben 11000 Flugzeuge unsere Küstenbefestigungen bekämpft. Es wurden mehrere Täuschungsmanöver durchgeführt. Mehrere unserer Küstenbatterien sind zum Schweigen gebracht. Seit heute früh ist in Deutschland der gesamte Fernsprechverkehr für Civil gesperrt. Der Rundfunk heute früh 9 Uhr wußte von all dem noch nichts. –

Abends

     Mittags 1 Uhr hat der deutsche Rundfunk endlich die Tatsache der Landung bekannt gegeben. Ort der Landung ist die Seinebucht, in der Stadt Caen wird gekämpft. Damit erklärt sich, warum die Engländer u. Amerikaner in den letzten Tagen Angriffe auf die Seinebrücken ausführten, die wohl ziemlich alle zerstört worden sind, sodaß es jetzt schwierig ist, rasch Truppen an die Landungsstelle zu bringen. Es heißt, daß die Engländer selbst sich diese Landung viel schwerer vorgestellt hatten, als sie tatsächlich war. Sie sprechen von neuen Geheimwaffen, die sie bei der Bekämpfung unserer Küstenverteidigung angewendet hätten u. die überaus wirksam gewesen wären, sodaß viele Batterien zum Schweigen gebracht worden seien. – Nun ist bei uns seit fast Jahresfrist von amtlichen Stellen u. von Hitler selbst von einer Geheimwaffe die Rede gewesen, welche Vergeltung üben sollte für die Bombardierung unserer Städte u. welche so vernichtend sein sollte, daß dadurch eine Wendung des Krieges eintreten sollte. Diese berühmte Vergeltungswaffe ist aber bis jetzt noch nie in Aktion getreten. Um das wartende Volk zu beruhigen, wurde dann das Gerücht ausgestreut, sie würde erst in Aktion treten, wenn die Invasion begönne u. sie würde dann um so vernichtender sein; aber auch jetzt, wo es doch soweit ist, hat man noch nichts davon gehört. Sie scheint genauso Bluff zu sein wie [2] die angebliche Unüberwindlichkeit des Atlantikwalles, von dem man uns die größten Wunderdinge erzählt hat u. der nun an der Seinebucht in wenigen Stunden zusammengeschossen worden ist. – Ebenso heißt es jetzt, daß wir Rom nur deshalb aufgegeben hätten, um die europäische Kultur zu retten, – als ob es in unserer Hand gelegen hätte, Rom zu halten, u. man faselt davon, daß nun nördlich Rom eine neue Verteidigungslinie gehalten werden würde. Diesem Volk kann man alles vorreden.

     Die Landungsstelle liegt östlich von Granville, wo Fritz zuletzt war. Es ist es wieder einmal eine glückliche Fügung, daß er rechtzeitig von dort fortgekommen ist.

     Es wird nun darauf ankommen, wie rasch es uns gelingen wird, genügend Truppen links der Seine zu sammeln u. wie rasch es den Engländern glücken wird, genügend Verstärkungen herüber zu bringen. Es wird ihnen das nicht schwer fallen, während wir sehr große Schwierigkeiten haben werden. Außerdem glaube ich nicht, daß es bei dieser einen Landung bleibt, ja, es scheint nicht ausgeschlossen, daß diese Landung überhaupt ein groß angelegter Bluff ist, mit dem Zweck, unsere Truppen dorthin zu locken u. sie dann durch eine weiter östlich erneute Landung abschneiden zu können. Auch wird nun ja die neue, ganz große Offensive der Russen beginnen, die wohl darauf angelegt sein wird, unseren ganzen Nordflügel im Baltikum abzuschneiden.

     Hitler hat einmal damit geprahlt, daß der Atlantikwall unbesiegbar sei. Er sagte, daß der Landende von Glück sagen könne, wenn er neun Stunden an Land bleiben würde. Nun sind die Angloamerikaner bereits erheblich länger als neun Stunden am Lande! Es wird sich nun zeigen, ob er sie überhaupt wieder hinauswerfen kann. Es ist immer gesagt worden, daß diese Invasion unsere große Chance wäre, es wurde so getan, als bestünde kein Zweifel, daß wir sie wieder hinauswerfen würden u. daß dann der Krieg zu unseren Gunsten ausginge. Es wird sich nun erweisen, ob auch das nur große Worte waren.