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Seite:HansBrassTagebuch 1944-06-15 002.jpg

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von Schulenburg, Freundin von Frau Grantz, zugegen, eine sehr rassige, intelligente u. bemerkenswerte Frau, ferner Frl. Clemens, Schwägerin von Marianne. Die alte Frau Ziel ist leider gestern mit ihrem Mann in ein Sanatorium im Harz gefahren.

     Von Fritz haben wir Nachricht. Er ist nun endgültig zum Regimentsstab kommandiert. Das Regiment ist verladen worden nach Süden. Die drei Bataillone fuhren getrennt. Der erste Transport erlitt einen Sabotageakt, indem unter einem der Eisenbahnwagen ein Sprengkörper explodierte, der jedoch keinen Schaden anrichtete. Der zweite Transport erlebte einen Fliegerangriff, durch den die Lokomotive beschädigt wurde u. der dritte Transport war noch nicht eingetroffen, als Fritz uns schrieb, obgleich er seit 24 Stunden hätte eingetroffen sein sollen. Die Sache mit dem Sprengkörper ereignete sich in der Gegend von Riom, also schon ziemlich weit im Süden, sodaß wir annehmen können, daß sich das Regiment noch weiter südlich von Riom befindet. Er schreibt von Kämpfen, der Aufstand macht offenbar Fortschritte. Er hat mit dem Stabe Quartier in einem Schloß.

     Der Beginn der Invasion ist nun heute neun Tage her. Die Angloamerikaner haben in dieser Zeit ihre Kräfte offenbar erheblich verstärken können, aber auch wir haben Verstärkungen herangeführt. Die Angriffe der Gegner haben vorerst nur den Zweck, Raum zu gewinnen für den weiteren Aufmarsch u. selbstverständlich setzen wir alles daran, dies zu verhindern. Die Hauptkämpfe finden nördlich von Caen statt. Diese Stadt haben die Gegner am ersten Tage der Invasion bereits durch Fallschirmtruppen besetzt gehabt, doch sind sie dann dort wieder vertrieben worden. Ich glaube, daß sie jetzt diese Stadt wieder erobert haben oder sich noch darum bemühen. Auch östlich davon greifen sie an. Westlich bei Bayeux wird ebenfalls schwer gekämpft. Diese Stadt haben die Gegner ziemlich von Anfang an in Besitz u. sie versuchen, von hier aus nach Südosten, Süden u. Südwesten vorzustoßen, doch scheinen sie dabei zunächst keine nennenswerte Erfolge zu haben. Isigny u. Carentan sind im Besitz der Gegner. Von dort her wollen die Gegner die Halbinsel Cotentin abschnüren, weshalb dort unsererseits stark angegriffen wird. Weiter nördlich von Carentan, am Ostrande der Cotentin-Halbinsel, wo die Angloamerikaner in Richtung auf Cherbourg vorzustoßen versuchen, wird ebenfalls heftig gekämpft in Richtung auf Valognes. Der Besitz von Cherbourg ist natürlich von größter Wichtigkeit. Der Gegner hat dort Fallschirmtruppen abgesetzt u. auch von See her Truppen gelandet, scheint damit aber keinen Erfolg gehabt zu haben. In dieser Gegend scheinen sich jetzt hauptsächlich Artilleriekämpfe abzuspielen zwischen feindlichen Schiffseinheiten u. unseren Küstenbefestigungen. Wir haben als Verbindung nach Cherbourg nur noch eine einzige Eisenbahnlinie die schwer unter Luftangriffen leidet, sodaß wir diese Stadt wohl kaum sehr lange noch halten können. Aber auch unsere Luftverteidigung ist inzwischen stärker geworden u. wir bringen der Landungsflotte manch schweren Verlust bei. – Nach den letzten Nachrichten scheint es so, als hätte der Gegner südlich Isigny in Richtung auf St. Lô etwas an Boden gewonnen. – Aus all dem ergibt sich, daß die ganze Lage auf beiden Seiten noch nicht aus dem Stadium der Vorbereitungen herausgekommen ist u. daß sich ein Bild

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Hans Brass: TBHB 1944-06-15. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-06-15_002.jpg&oldid=- (Version vom 23.10.2024)