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Seite:HansBrassTagebuch 1944-08-11 001.jpg

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eingesehen hat, daß das Mädchen Martha zu unrecht ihre Order bekommen hat, doch hat er Angst, selbständig etwas zu tun, er meint, erst den polit. Beamten in Prerow fragen zu müssen. Er will das tun u. uns dann Bescheid geben, doch hat er das bis jetzt nicht getan. Sobald das Mädchen frei ist, werden wir es mit Jens u. Peter nach Bln. zurückschicken.

     Im Dorf ist ungeheure Aufregung. Es soll im Gasthof von Knecht eine Gemeinschaftsküche aufgemacht werden für die Kinder, die mutterlos hier bleiben u. die sonst im Hause Strandheim untergebracht werden sollen. Für Pflege dieser Kinder ist die Frauenschaftsleiterin Frau Siegert bestellt, ferner deren Nachbarin Frau Schmitt u. die Frau des Lehrers. Diese haben sich also einen Druckposten zu verschaffen gewußt. Die Frau des Bürgermeisters hat zwar keinen besonderen Druckposten, braucht aber nicht fort. Dagegen hat Schwager Paul ebenfalls Order bekommen, er ist 62 Jahre.

     Unter der Schlagzeile „Vom Volke gerichtet“ bringt der Rost. Anz. heute den Verhandlungsbericht gegen die Attentäter. Es handelt sich um den Generalfeldmarschall v. Witzleben, Generaloberst Höppner, Generalmajor Stieff, Oberlt. v. Hagen, Generalleutnant v. Hase, Oberstlt. Bernardis, Hptm. Klausing u. Lt. Graf York v. Wartenburg. –

     In all dieser Aufregung habe ich heute das Malvenbild vollendet. Es ist sehr schön geworden.

Freitag, 11. Aug. 44.     

     Die Amerikaner haben in ihrem Vorstoß in Richtung Paris jetzt Chateaudun u. Chartres erreicht, ihre äußerste Angriffsspitze steht somit etwa 75 km. vor Paris. Damit gerät unsere bei Caen kämpfende Armee in ernste Gefahr, ihre Rückzugstraße zu verlieren. Sie ist nur noch auf die Straßen angewiesen, die über die Seine führen, falls die Amerikaner nahe genug an Paris herankommen, um die Verbindungen zu stören. –

     Die Aufregung im Dorf ist noch die gleiche. Von den 75 betroffenen Frauen u. Mädchen haben 50 Revision eingelegt. Es scheint in der Tat so, als hätte man vorwiegend Evakuierte ausgewählt, also Damen besserer Stände, während man die einheimische Bevölkerung weitgehend geschont hat. – Ich habe bis jetzt nur von zwei Männern gehört, die Order bekommen haben: Paul u. Gess. Ich rede Paul zu, Berufung einzulegen, aber er zögert.

     Heute habe ich eine Kohlezeichnung, die ich vor Jahren noch in der Wilhelmshöher Straße in Friedenau gemacht habe, neu gezeichnet u. streng durchstilisiert. Damals wollte ich ein Bild des Pfarrers von Ars machen, doch kam ich nicht weiter. Die Zeichnung fiel mir neulich in die Hände, als ich die Bilderkammer einrichtete u. sie gefiel mir sehr. Zwar kann ich das, was ich heute gezeichnet habe, wohl kaum „Pfarrer von Ars“ nennen, die Katholiken wurden mich steinigen; aber als Bildnis eines geistlichen Herrn kann es wohl gehen.

     Frau Eitner heute wieder abgefahren.

     Eva Küntzel heute gekommen.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1944-08-10. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-08-11_001.jpg&oldid=- (Version vom 20.6.2024)