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Seite:HansBrassTagebuch 1944-11-19 001.jpg

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„wir müssen siegen“. – Er meinte, die Russen würden sonst ganz Deutschland vernichten. Es war wie das böse Gewissen eines Mörders, dem es nun selbst an's Leben geht. Ich erinnerte ihn an unsere Grausamkeiten gegen die Juden, die selbst heute noch nicht aufgehört haben u. an unsere Verwüstungen u. Morde in Polen + Rußland u. fragte ihn, ob er wirklich glaube, daß das alles ohne Strafe u. Vergeltung hingehen könne.

     Walter Knecht, der nun also wirklich gestern eingetroffen ist, hat von Holland bis hierher sechs Tage gebraucht, – so vernichtet sind alle Verkehrswege im Westen. –

     Heute wieder Regen u. Kälte bei Ostwind. Ich wollte den Garten fertig machen, doch war es unmöglich. Habe heute schon meinen Sonntagsbrief in Fritz geschrieben.

     Gestern Abend war Erika Schimpf-Seeberg bei mir. Sie hatte durch Vermittlung eines Onkels, der beim Marine-Oberkommando in Norwegen sitzt, die telephon. Nachricht, daß Bengt Seebergs Name nicht auf der Liste der Geretteten steht. Abends kam Erich S. Er machte einen sehr niedergedrückten Eindruck. Tragisch ist, daß sich Erich S. schon seit längerer Zeit bemüht hat, seinen Sohn von der Tirpitz weg zu bekommen u. dies war nun geglückt. Seit dem 10. November war er nach Kiel versetzt, doch ist die Durchgabe dieses Befehls irgendwie verzögert worden. Es ist typisch für S., daß er nun mit der Absicht umgeht, die Stelle verantwortlich zu machen, die die Verzögerung verursacht hat, u. das ist seiner Meinung nach ein Marinepfarrer.

Sonntag, 19. Nov. 1944.     

     Sehr schöne Andacht. Carmen Grantz, Frau de Breé, Grete, Martha u. Frau Krauss. – Nachher an Pfarrer Dobczynski geschrieben, von dem ich in dieser Woche ein kurzes Briefchen erhielt, lt. dem es ihm langsam besser geht, sodaß er jetzt nach fünfwöchentlicher Bettruhe einige Stunden aufstehen darf. Heute durfte er sogar zelebrieren. –

     An der Westfront ist nun die Offensive in vollem Gange. Im Raum Aachen haben wir Geilenkirchen verloren südlich Luxemburg haben die Amerikaner die deutsche Grenze überschritten u. im Gebiet von Metz wird gekämpft. Auch an der schweizer Grenze im Raum Belfort, wo Fritz liegt, sind schwere Kämpfe entbrannt, der Gegner soll dort 30 km. in den letzten beiden Tagen voran gekommen sein. An der Ostfront, mit Ausnahme bei Budapest, hält die unheimliche Ruhe immer noch an, aber bei Budapest wird schwer gekämpft. Die inneren Verhältnisse in Ungarn werden täglich gespannter. Auch bei uns nimmt der innere Verfall langsam zu, wenngleich das auch noch unsichtbar bleibt. Die Anzeichen des Verfalls machen sich vorerst in unseren auswärtigen Gesandtschaften bemerkbar, vor allem in Schweden, aber auch in Spanien u. Portugal. Im Augenblick sind in Europa überhaupt nur noch die Gesandtschaften in der Schweiz u. in Irland mit Gesandten besetzt.

     Der hl. Vater hat in Rom vor der polnischen Kolonie eine Rede gehalten über die grauenhafte Zerstörung

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Hans Brass: TBHB 1944-11-18. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-11-19_001.jpg&oldid=- (Version vom 23.10.2024)