TBHB 1944-11-18
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1944-11-18 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 18. November 1944. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Gestern Nachmittag verabschiedete sich der Unteroffz. Beichler, er ist heute früh wieder zur ostpreuß. Front gefahren. Es war ein trüber Abschied. Bei seinem letzten Urlaub war er noch überaus zuversichtlich. Damals meinte er, der Vormarsch der Russen hätte garnichts zu bedeuten, es wäre nur unser Vorteil, wenn wir eine kürzere Front hätten. Jetzt aber war er sehr kleinlaut, denn inzwischen ist die Invasion an der Kanalküste gewesen u. die Angloamerikaner stehen vor unserer Grenze, oder haben diese überschritten. Er wußte nichts weiter zu sagen, als daß wir unbedingt siegen müßten, freilich konnte er mir nicht erklären, wie das geschehen solle. Wie ein kleines, eigensinniges Kind klammerte er sich an den Satz: [2] „wir müssen siegen“. – Er meinte, die Russen würden sonst ganz Deutschland vernichten. Es war wie das böse Gewissen eines Mörders, dem es nun selbst an's Leben geht. Ich erinnerte ihn an unsere Grausamkeiten gegen die Juden, die selbst heute noch nicht aufgehört haben u. an unsere Verwüstungen u. Morde in Polen + Rußland u. fragte ihn, ob er wirklich glaube, daß das alles ohne Strafe u. Vergeltung hingehen könne.
Walter Knecht, der nun also wirklich gestern eingetroffen ist, hat von Holland bis hierher sechs Tage gebraucht, – so vernichtet sind alle Verkehrswege im Westen. –
Heute wieder Regen u. Kälte bei Ostwind. Ich wollte den Garten fertig machen, doch war es unmöglich. Habe heute schon meinen Sonntagsbrief in Fritz geschrieben.
Gestern Abend war Erika Schimpf-Seeberg bei mir. Sie hatte durch Vermittlung eines Onkels, der beim Marine-Oberkommando in Norwegen sitzt, die telephon. Nachricht, daß Bengt Seebergs Name nicht auf der Liste der Geretteten steht. Abends kam Erich S. Er machte einen sehr niedergedrückten Eindruck. Tragisch ist, daß sich Erich S. schon seit längerer Zeit bemüht hat, seinen Sohn von der Tirpitz weg zu bekommen u. dies war nun geglückt. Seit dem 10. November war er nach Kiel versetzt, doch ist die Durchgabe dieses Befehls irgendwie verzögert worden. Es ist typisch für S., daß er nun mit der Absicht umgeht, die Stelle verantwortlich zu machen, die die Verzögerung verursacht hat, u. das ist seiner Meinung nach ein Marinepfarrer.