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Seite:HansBrassTagebuch 1945-01-10 001.jpg

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scheint Fortschritte zu machen, obgleich wir starken Widerstand leisten – Die verstärkte Luftoffensive der letzten 14 Tage scheint furchtbare Wirkung zu haben. Man sagt, daß Heilbronn so gut wie nicht mehr bestehe, es soll dort allein 20.000 Tote gegeben haben. Ebenso ist Freiburg vernichtet. Von all dem hört man nur zufällig, offiziell wird nichts gesagt.

     Um die Stadt Budapest wird immer noch gekämpft, es scheint, daß auch diese prächtige Stadt, in der ich im 1. Weltkriege auf der Reise nach Mazedonien zwei Tage lang war, völlig zerstört wird. Nach unseren Berichten haben wir neue Truppen dort zusammengezogen, die nun von Nordwesten her die Stadt wieder erobern u. die eingeschlossenen Einheiten befreien sollen.

     An der übrigen Ostfront herrscht nach wie vor eine unheimliche Ruhe.

Mittwoch, 10. Januar 1945.     

     Gestern Brief von Fritz, datiert 20./21. 12.44., sehr ausführlich. Beiliegend ein Brief von Kapl. Stegmiller, worüber ich mich ungemein gefreut habe, denn auch ich hatte ihm, einer Eingebung folgend, geschrieben. Das muß ebenfalls um den 20.12. herum geschehen sein, leider habe ich es nicht notiert, sodaß ich das Datum nicht genau feststellen kann. Beide Briefe haben sich gekreuzt. Auch dieser Brief des Kaplans ist das Ergebnis einer momentanen Eingebung. Fritz schreibt: „Feldw. St. sitzt neben mir u. schreibt auch Briefe. Er wollte so gern mal an Dich, Oha, schreiben. Ich sagte ihm, er solle es doch bitte tun. So werden diese Zeilen von ihm hier beiliegen. – Die Gedankenübertragung ist in diesem Falle wirklich sehr offenkundig. –

     Fritzens Einheit ist wieder verlegt worden. Sie hatten gedacht, sie würden herausgezogen u. sich gefreut, Weihnachten zuhause zu sein; aber sie kamen nach Kolmar, wo ebenfalls heftige Kämpfe sind. Kolmar ist trostlos demoliert, aber es gibt dort mindestens noch eine Kirche und Fritz war mit Feldw. St. darin am 3. Advent zu einem kurzen Gebet. St. hofft, daß er am Weihnachtsfest zelebrieren konnte, die 3. Messe für seine Freunde u. Bekannten, also auch für Fritz u. uns. –

     Fritz schreibt, daß auch in seinem Abschnitt am 16.12. ein großer Gegenangriff begonnen habe, also gleichzeitig mit unserer großen Offensive weiter nördlich, u. daß die Soldaten sehr optimistisch seien. Es wird eine um so bitterere Enttäuschung werden. Man hat unseren Soldaten ja offenbar viel erzählt u. hat ihnen Erfolge gemeldet, die in Wirklichkeit garnicht eingetreten sind. Gestern Abend hieß es dafür, daß der Gegenangriff der Engländer, Kanadier und Amerikaner, der von Norden her unter Montgommery's Befehl aus dem Raume Stavelot geführt wird, jetzt 1 km. vor Laroche angelangt ist. Laroche liegt im Zentrum des Einbruchsraumes, in dem wir operieren u. ist ein Straßenknotenpunkt von größter Bedeutung. Wenn es Montgommery gelingt, diesen Punkt fest in seine Hand zu bekommen, dann wird der ohnehin äußerst schwierige Nachschub für alle unsere Verbände wahrscheinlich katastrophal werden. Schon jetzt sieht es so aus, als litten unsere Truppen sehr unter diesem Mangel u. als käme vor allem die Verpflegung nicht mehr zur Truppe durch. Wenn dann noch Treibstoffmangel u. Munitionsmangel dazu kommen, dann ist der Untergang dieses ganzen Unternehmens besiegelt.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-01-08. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-01-10_001.jpg&oldid=- (Version vom 2.9.2024)