Zum Inhalt springen

Seite:HansBrassTagebuch 1945-01-26 001.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Paul verlangen wir das ja auch nicht, – aber wir können auf die Dauer nicht eine nur mühsam verheimlichte Opposition von einem Menschen vertragen, der praktisch von unserer Freundlichkeit lebt. – Es war schwer, Grete dies klar zu machen. Sie meinte, wir verlangten von Erika, daß sie ihre sogenannte nationalsozialistische Weltanschauung von heute auf morgen ablegen u. eine Christin werden solle – u. das sei doch unmöglich. Es war ja nicht allzuviel Zeit, denn meine Hörerinnen mußten jeden Augenblick kommen, u. ich weiß nicht, wie weit Grete zur Einsicht gekommen ist. –

     Nach dem Vortrag kamen Paul u. Grete wieder herauf, um die Nachrichten zu hören. Grete hatte sich inzwischen beruhigt. Paul sagte mir nachher, daß sich inzwischen eine neue Unannehmlichkeit ereignet habe: Erikas Mann hat einen SS=Mann auf Urlaub geschickt mit einem Paket für Erika. – Abgesehen davon, daß kein Soldat seit vielen Monaten mehr Urlaub bekommt, aber dieser SS=Mann des Herrn Oberleutnant mit einem Paket nach Ahrenshoop fahren kann, – ist es uns höchst unangenehm, einen solchen Menschen hier überhaupt zu sehen. Als Erikas Mann hier war, haben wir zur Bedingung gemacht, daß er in Civil ginge u. haben ihm zu diesem Zweck Fritzens Sachen zur Verfügung gestellt. Wir haben ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, daß wir einen SS-Mann in Uniform keinesfalls in unserem Hause zu sehen wünschen, – u. nun schickt uns dieser Mensch noch einen SS-Mann extra auf den Hals, den Erika im Baltischen Hof untergebracht hat. Es ist das ein neuer Beweis dafür, daß weder Erika noch ihr Mann gewillt sind, unserer Ablehnung des Nationalsozialismus, u. vor allem der SS, die geringste Rechnung zu tragen. – Wenn sich das nicht ändert, muß von uns aus eine Änderung vorgenommen werden. Es scheint aber, als wolle Erika die Konsequenzen ziehen, jedenfalls hat sie heute früh ein Ferngespräch mit Berlin geführt. Ich weiß nicht, mit wem. Auch Grete sagt nichts darüber, – sie hat ja immer ihre Heimlichkeiten. Es ist schon so, wie Eva mir einmal vor vielen Jahren sagte: „Bei uns hat jeder seine heimlichen Gedanken“. –

     Die Russen scheinen eine Atempause zu machen. Breslau scheint jetzt von drei Seiten eingeschlossen zu sein, jedenfalls ist die Verbindung nach dem Industrierevier unterbrochen, es gibt nur noch Nebenverbindungen. Dafür scheint nun Rundstedt im vollsten Rückzuge aus den Ardennen zu sein. Auch bei Kolmar wird gekämpft.

     Über Nacht hat er wiederum geschneit. Auch eben schneit es wieder etwas. Ich mußte darum heute wieder schippen, doch hat Paul viel geholfen.

Freitag, 26. Januar 1945.     

     Gestern Nachmittag um 6 Uhr wurde wieder einmal plötzlich die Stromversorgung eingestellt. Wir saßen bei unserer Petroleumlampe, die uns Inge Meisner vor einigen Tagen geschenkt hat. Auch Küntzels waren bei uns. Um 9 Uhr gingen wir schlafen, um Petroleum zu sparen, denn auch davon haben wir nicht viel. Mit großer Sorge sehe ich der Zeit entgegen, wo der Strom überhaupt eingestellt werden wird.

     Die Russen haben oberhalb Breslau Brückenköpfe über die Oder errichtet. Sonst scheint keine neue Veränderung

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-01-25. , 1945, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-01-26_001.jpg&oldid=- (Version vom 13.8.2024)