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Seite:HansBrassTagebuch 1945-03-15 001.jpg

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Kriege nach Schema F errichtet worden ist u. einen bombensicheren Keller hat. Fritz beschreibt sehr ulkig die Wohnungseinrichtung des Zoll. Assistenten, die dieser zurückgelassen hat. –

     Gestern Nachmittag besuchte ich Frau Krauss, die nach ihrer Operation u. den strapaziösen Reisen nachher sehr elend ist. Sie wurde in Berlin im Gertrauden-Krankenhaus operiert u. war sehr angetan von diesem Krankenhause. Von dort aus ging sie zur Erholung nach Beskow zu ihrer Tochter, doch wurden sie, kaum daß Frau K. dort angekommen war, nach Celle evakuiert. Frau K. machte aber diese Evakuierung nicht mit, sondern fuhr nach Rostock, wo sie nochmals bestrahlt werden mußte u. nun ist sie hier. Frau K. erzählte von der Kopflosigkeit der Evakuierung aus Beskow. Ihre Tochter ist dort bei irgend einer Behörde. Alle Mitglieder derselben wurden eines Morgens um 4 Uhr in Autos verladen u. nun ging es los über die von Flüchtlings-Trecks verstopften Straßen. Sie kamen um 1 Uhr Nachts in Magdeburg an, blieben dort irgendwo stehen u. schliefen im Wagen. Am Morgen fuhren sie weiter nach Celle, wo nur eine häßliche Baracke für sie bereit stand, in der sie auf die Dauer nicht bleiben konnten. So fuhren sie wieder nach Beskow zurück, wo sie jetzt wieder sind. –

Frau Seeberg war in diesen Tagen in Sorgenfrei, dem Gut ihres Schwagers hier irgendwo in der Nähe. Sie erzählte, daß eine Autokolonne dort durchgekommen sei, die von dem General d. Polizei Lorenz angeführt wurde u. in der sich die Tochter dieses Halunken befand mit einem Berg von 21 Koffern. Diese Tochter ist hier irgendwo mit einem Gutsbesitzer Kikebusch verheiratet u. ist nun geflüchtet. Diese Gesellschaft wird ja ihrem Schicksal nicht entgehen. Kein Mensch hat Benzin u. Autoreifen sollen abgeliefert werden, neuerdings sogar die Fahrräder, aber diese Bande fährt mit ihren Autos im Lande herum u. sagen zu uns: „Ihr müßt Euch im Boden festkrallen“.

Donnerstag, 15. März 1945.     

     Gestern Nachmittag 3 Uhr ging der Strom aus u. kam nicht wieder bis 1/2 11 Uhr Nachts. Heute früh 7 Uhr wurde wieder ausgeschaltet. – Der Mittwoch-Vortrag mußte nun ganz bei Notbeleuchtung stattfinden, was sonst nur immer in der zweiten Hälfte der Fall war. Nach dem Vortrag blieb Frau Dr. Müller-Barday noch da. Wustrow, Alt= u. Niehagen haben wieder neue Flüchtlinge bekommen, alle Häuser sind übervoll, ganz egal, ob die Räume heizbar sind, oder nicht. Die Gemeinden müssen die Flüchtlinge aufnehmen, ob sie Platz haben oder nicht, danach wird nicht gefragt. Das Städtchen Damgarten ist längst überbelegt u. es ist beim besten Willen nicht möglich, auch nur noch einen Menschen unterzubringen. Trotzdem wurde ein Eisenbahnzug voll Flüchtlinge dorthin geleitet. Der Bürgermeister weigerte sich, die Leute aufzunehmen u. ließ den Zug weiterfahren. Drei Tage später wurde der Bürgermeister verhaftet u. in ein Konzentrationslager verschleppt. In Wustrow ist nun bereits Ruhr

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Hans Brass: TBHB 1945-03-14. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-03-15_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2024)