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Seite:HansBrassTagebuch 1945-04-15 002.jpg

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ist er mit San-Feldw. Franke nach Buchenbach per Rad gefahren, hat sich dort ausgeruht u. ist dann weiter allein nach Hinterzarten zur Baronin v. Wolff gefahren, um dort über Ostern zu bleiben. Sein Stabsarzt hat diesen Osterurlaub als Dienstreise frisiert, sodaß ihm dieser Ausflug möglich gemacht wurde. Auch das ist eine anerkennenswerte Tat des Dr. Kuntze. –

     Fritz wurde, wie er schreibt, in Hinterzarten wieder sehr freundlich aufgenommen. Er war glücklich, in einem gut gepflegten Hause wieder einmal in einem guten Bett schlafen zu können. Dennoch hat der Krieg auch dort seine ernsten Spuren hinterlassen. Die beiden Söhne aus der ersten Ehe der Frau v. Wolff=Wendelstadt sind im Osten gefallen u. den Birkenhof hat man Frau v. W. im vorigen Jahre genommen u. anscheinend auch ihre Schule, ihr u. ihres Schwagers Hans Wendelstadt Lebenswerk u. Aufgabe. Die Tochter Juliane ist verheiratet mit einem Arzt, Pathologe, Dr. habil., Privatdozent an der Univers. Freiburg u. jetzt Stabsarzt. Ein Gegensatz zu ihr ist ihre Schwester Maria, die Fritz als sehr ernst u. verschlossen schildert, ein Mädchen, das viel liest, u. zwar gute u. schwere Bücher, die ihr den Zugang zum Leben noch mehr erschweren, zumal sie sehr einsam lebt. Fritz meint, daß ihr die Religion oder vielmehr der Glaube fehle, der dieses Mädchen von der Lebensangst befreien könnte, an der sie zu leiden scheint. – Er schreibt, daß die Freude, dort zu Besuch zu sein, auf beiden Seiten sei u. er stellt das frohen Herzens fest. – Am Ostersonntag gab es dann ein schönes Osterfrühstück. Anschließend Besuch bei Mausel Liehl, irgendwie eine Verwandte oder ein Patenkind von Max Wegscheider, die dort unten mit einem Pfarrer Huss verheiratet ist. – Nach dem Essen machte er einen Spaziergang mit der Tochter Maria, danach Tee u. Kuchen. Abends war er mit Frau v. W. u. Maria im Ostergottesdienst u. nachher in der Familie. Zufällig traf da grade ein Brief von Frau Partikel, der Schwester der Frau v. W., aus Ahrenshoop ein.

     Am Ostermontag waren alle zum Kaffee bei Juliane, die wohl im gleichen Hause wohnt, aber eine eigene Wirtschaft führt. Danach mußte Fritz dann wieder losfahren. Jedenfalls schreibt er, daß er glücklich u. dankbar war, dies alles erleben u. uns mitteilen zu können, – offensichtlich hat diese Maria einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht. –

     Es wird wohl zwecklos sein, Fritz auf diesen Brief noch zu antworten, denn gestern hieß es, daß die Anglo-Amerik. die Elbe an zwei Stellen, nördl. u. südl. Magdeburgs, überschritten hätten u. nun etwa 80 km. von Berlin entfernt sind. Damit wäre dann die Nord-Süd=Verbindung endgültig unterbrochen, denn auch Leipzig ist im Süden bereits umgangen im Vorstoß gegen Dresden. Dennoch will ich wenigstens kurz schreiben. Ich erwarte, daß die Engländer nun direkt auf Rostock losgehen werden u. daß sie nun auch eine neue Landung in Dänemark vornehmen werden, um zu verhindern, daß unsere geschlagenen Truppen nach Jütland ausweichen. Wenn sie das nicht verhindern, müßten sie unter Umständen den Krieg bis in die Nordspitze Jütlands hineintragen, woran weder ihnen noch den Dänen etwas gelegen sein kann. Kiel ist in diesen Tagen u. Nächten immer wieder schwer aus der Luft angegriffen worden,

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Hans Brass: TBHB 1945-04-15. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-04-15_002.jpg&oldid=- (Version vom 19.8.2024)