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Seite:HansBrassTagebuch 1945-04-21 001.jpg

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wandte mit einem ziemlich ungeschickten Versuch der Erpressung. Da er drohte, sich an Paul wenden zu wollen, wenn er kein Geld bekäme, war die Situation unangenehm. Grete tat das Beste u. beichtete ihrem Mann. Für ihn war es ein böser Schlag. Er löste zwar die Ehe nicht, aber der Riß war nicht mehr zu reparieren. – Grete mußte nun ihrerseits etwas aus der Sache machen. Sie war grade damals ganz befangen in ihren ebenso eitlen wie dummen u. oberflächlichen okkultistischen Interessen u. hielt damit ihre Umgebung in Atem. Sie machte sich interessant. Nun zog sie bei der Familie ihres Mannes herum, um sich als öffentl. Büßerin aufzuspielen. Sie erzählte allen, was sie garnicht nötig gehabt hätte, daß sie einen Fehltritt begangen hätte u. eigentlich ein ganz sittenloses u. verächtliches Geschöpf wäre. Die Triebfeder dazu war Eitelkeit. Es war ja auch das interessant. Und dazu kam noch die erotische Triebfeder: ein seelischer u. moralischer Exhibitionismus. – Paul dagegen schaffte sich eine Freundin an, die er gewiß gern geheiratet hätte, doch tat er es nicht, vorwiegend wohl aus Rücksicht für die Töchter. Wenn Grete wirklich reuig gewesen wäre, dann hätte sie das alles ganz in Ordnung gefunden; aber es kam offenbar zu Zank zwischen den Eheleuten u. sie nannte Pauls Freundin „Hure“. – Kurz u. gut, das ganze Familienleben war nun zerrüttet u. sie benutzte diese Gelegenheit, die Töchter dem Vater zu entfremden u. an sich zu fesseln, – genau so, wie meine eigene Frau es getan hat. Jetzt nun ist ihr auch noch das uneheliche Kind Evas ein Anlaß, sich selbst zu rechtfertigen. Sie empfindet das so, daß sie denkt: wenn solche Sache sogar der Tochter Eva passiert, die von aller Welt als ein besonders wertvoller Mensch anerkannt wird, dann ist der eigene Fehltritt doch um so mehr zu entschuldigen. Er ist dann so bedeutungslos wie ein Etikettenfehler. –

     Ich sprach s. Zt. mit Mama über ihre Sache. Ich habe ihr den Vorwurf gemacht, daß sie, besonders aber der Vater, – diese ganze Geschichte in dieser Weise vertuscht u. damit den Grundstein zu einer Lüge gelegt hätten, deren Opfer doch schließlich Paul geworden sei. Mama wußte darauf nichts weiter zu sagen, als: „ja, was hätten den die Leute gesagt, wenn Grete ein uneheliches Kind bekommen hätte!“ Es war also auch schon für die Eltern eine „Etikettenfrage“, u. nicht mehr. Das ist um so erstaunlicher, als Mama mir auf meine Frage, warum denn jener Rechtsanwalt, der der Vater dieses Kindes war, Grete nicht geheiratet hätte, antwortete: „Der Vater ist zu ihm gegangen u. hat dies verlangt; aber er hat abgelehnt mit der Begründung, er sei ja nicht „der Erste“ gewesen.“ –

     So wie mit Paul, so hat sie es ja auch lange Jahre mit mir gemacht. Paul stellt sie als einen ungeistigen u. oberflächlichen Menschen hin, um sich selbst herauszuheben. So hat sie jahrelang über mich vor den Eltern Lügengeschichten verbreitet, um mich zurückzudrängen u. selbst um so mehr zu gelten. Das ist nun jetzt freilich endgültig aus.

Sonnabend, den 21. April 1945.     

     Helgoland ist ein drittes Mal bombardiert worden. Sonst sind an den Fronten außer örtlichen Fortschritten keine besonderen Veränderungen. Nürnberg ist in Feindeshand u. es scheint, daß die Verteidigung nicht sehr stark gewesen ist. Wahrscheinlich wird Erich in der Stadt sein.

     Heute ist ausgiebiges Regenwetter, das wir gut gebrauchen können.

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Hans Brass: TBHB 1945-04-20. , 1945, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-04-21_001.jpg&oldid=- (Version vom 22.8.2024)