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Seite:HansBrassTagebuch 1945-04-25 002.jpg

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elend u. verwahrlost aus u. machte den Eindruck einer ganz tiefen Kümmernis. Sie tat mir schrecklich leid.

     Nach Eva war Kurt Spangenberg da, der nun von Schwerin bis auf weiteres beurlaubt ist u. von den Zuständen dort erzählte. Die Nazis dieser Stadt, die stets eine Hochburg der Nazis gewesen ist, leben in panikartiger Angst. Die Wehrmacht will die Stadt nicht verteidigen. Es sind dort etwa 20000 Verwundete, aber es fehlen noch 10000, damit die Stadt als Lazarett-Stadt erklärt werden kann. Die Stadt hat schwer gelitten unter Luftangriffen u. leidet besonders jetzt unter Tieffliegern, die jeden Fußgänger beschießen, besonders aber die Eisenbahnen, sodaß alle paar hundert Meter die Lokomotiven kaputtgeschossen werden.

     Nachmittags: ein Exemplar des Rost. Anz. ist gekommen, doch ist es vom Montag, den 23. Apr. Es geht daraus aber hervor, daß tatsächlich im Rundfunk bekannt gegeben worden ist, daß der Führer in Berlin ist u. den Entschluß gefaßt hat, in Bln. zu bleiben. – Ferner ist ein Aufruf von Dr. Goebbels abgedruckt, den er als Reichsverteidigungs-Kommissar an die Berl. Bevölkerung erlassen hat u. in dem er zur Verteidigung der Stadt auffordert. Mit der Verteidigung ist nun Generalleutn. Reyman beauftragt, ein ganz unbekannter Mann, wenn er auch, wie extra vermerkt wird, Träger des Eichenlaubs ist. Herr Goebbels versichert, daß er u. seine Frau mit den Kindern in Bln. sei u. nicht fortgehen werde. In diesem Aufruf wird zwar davon geredet, daß der „Mongolensturm“ an den Mauern der Reichshauptstadt gebrochen werden würde, aber er verzichtet nun doch darauf, von einem Sieg zu faseln. Aber er redet nach wie vor von dem „unvorstellbaren Schreckensregiment“, das die Russen bei uns aufrichten wollen, daß sie deutsche Frauen schänden u. in Frontbordelle schicken wollen, daß sie Kinder quälen + morden wollen, Millionen von Männern durch Genickschuß liquidieren wollen u. den Rest als Arbeitssklaven nach Sibirien schleppen wollen. – Nun, das wird wohl das letzte Geschrei dieses Halunken sein. – Weiter ist in der Zeitg. zu lesen, daß Molotow die Sowjetabordnung für San-Franzisko führt u. es wird eifrig von den Spannungen wegen Polen u. der Dardanellen geschrieben. Schließlich ist der Heeresbericht vom Sonntag abgedruckt, aus dem ich entnehme, daß die Franzosen gegen den Kaiserstuhl vordringen, also dort, wo Fritz ist.

     Der Gauleiter von Stettin, Schwede-Coburg, eine der widerlichsten Typen dieser ganzen Bonzen, hat für sich u. seine Familie hier im Kurhause Zimmer bestellt. Es sollte zwar geheim bleiben, aber der ganze Ort weiß es. Vielleicht hat Ahrenshoop die Ehre, diesen Kerl an einem seiner Straßenbäume hängen zu sehen.

Donnerstag, 26. April 1945     

     Berlin ist jetzt vollständig eingeschlossen u. zwei Drittel der Stadt ist in russ. Hand. Der Volkssturm scheint sich dort besonders auszuzeichnen, natürlich auf russischer Seite, was ja auch nicht anders zu erwarten war. Der Soldaten-Sender behauptete heute früh, daß die Berliner bisher von Hitler weder etwas gehört noch gesehen hätten. Vielleicht ist die ganze Sache doch ein großer Schwindel u. nur dazu da, um den wahren Aufenthalt des Führers zu verschleiern. – Im Süden der Westfront sind die Amerikaner weit voran gekommen u. stehen bereits 30 km. vor Passau

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Hans Brass: TBHB 1945-04-25. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-04-25_002.jpg&oldid=- (Version vom 23.8.2024)