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Seite:HansBrassTagebuch 1945-04-29 001.jpg

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über Passau hinaus u. gehen auf Linz los, wo die Grenze ungefähr zu liegen scheint, bis wohin die Russen gehen wollen. Die Italienfront ist völlig zusammengebrochen, die Amerikaner, bzw. ital. Partisanen sind bis zum Gardasee durchgestoßen u. haben unsere Truppen südlich der Schweiz abgeschnitten. Nur was im Raume Venedig steht, hat noch Verbindung nach Süddeutschland. Hier oben sind die Russen in Prenzlau u. Angermünde. Am Gardasee sind Mussolini, Graziani u. die anderen fazistischen Führer von den Partisanen gefangen genomen worden. –

     Bei uns beginnt nun das große Sterben unter den Nazis. Der Gauleiter von München soll sich erschossen haben, weil er den Kampf einstellen wollte, während die übrigen Führer der Partei weiter kämpfen wollen. Der Reichsprotektor der Tschechei Frick hat seinen Rücktritt von seinem Posten angemeldet, ebenso die Reichsminister: Wirtschaftsminister Funk u. Herr Lammers. Auf Herm. Goering wird jetzt tüchtig geschimpft: er habe ein Wohlleben geführt, anstatt sich um die Luftwaffe zu kümmern. Von Herrn Himmler hört man überhaupt nichts mehr. Bis jetzt haben wir hier noch keine Lebensmittelkarten für die neue Periode bekommen, ab Montag haben wir kein Brot mehr.

     Die Familie des Gauleiters Schwede-Coburg soll gestern per Auto hier eingetroffen sein. Es mußte für sie das Haus von Dr. Lewerenz geräumt werden, die dort wohnenden Flüchtlinge mußten raus u. anderwärts notdürftig untergebracht werden. Eben sagt mir Martha, daß der Ortsgruppenleiter im Dorfe sein soll, um sämtliche Häuser selbst nachzusehen u. um festzustellen, wo seiner Meinung nach noch Platz ist für neue Flüchtlinge. Selbstverständlich würde im Hause Dr. Lewerenz noch Platz sein, wenn die Familie des Herrn Gauleiters zusammenrückte, aber dort wird dieser Lümmel schon nicht hingehen. –

     Gestern Abend soll ein mysteriöses Auto angekommen sein, das auf dem Hof des Bäckers Hagedorn abgestellt sein soll. Die Zollbeamten sollen den Fahrer auf der Wiese von Henk gefunden haben. Er soll jede Auskunft verweigern. Das Auto soll verschlossen sein u. soll von Zollbeamten bewacht werden. Was daran wahr ist, weiß ich nicht.

     Gestern Abend hatten wir das erste Gewitter des Jahres. Das Wetter ist sehr günstig, es ist warm u. es hat genug geregnet, sodaß die Felder gut bestellt werden könnten.

     Unser neuer Ofen in der Waschküche scheint gut zu funktionieren. Es wird eine erhebliche Erleichterung sein.

     Kapitänlt. Dr. Krappmann ist von seiner Dienstreise noch nicht zurück. Er wollte am Donnerstag schon hier sein. Man beobachtet das natürlich argwöhnisch. –

Sonntag, 29. April 1945.     

     Heute früh gab der Soldaten-Sender bekannt, daß Himmler der engl. u. der amerikan. Regierungsvertretung auf der Konferenz in San-Franzisko die bedingungslose Kapitulation Deutschlands angeboten habe. Das Angebot ist über das schwed. Rote Kreuz in Stockholm vermittelt worden. England + Amerika haben das Angebot zur Kenntnis genommen u. geantwortet, daß ein solches Angebot nur Berücksichtigung finden könne, wenn es zugleich auch an Rußland gerichtet würde. In San-Franz. hat sofort eine Besprechung der drei Außenminister stattgefunden. Stalin hat eine Depesche an Chuchill gesandt unbekannten Inhaltes. Churchill hat dieses Ereignis in

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Hans Brass: TBHB 1945-04-28. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-04-29_001.jpg&oldid=- (Version vom 24.8.2024)