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Seite:HansBrassTagebuch 1945-04-29 002.jpg

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in England sofort offiziell bekannt gegeben.

     Ich habe heute in der Andacht, die so überfüllt war wie noch nie, zu Beginn meiner Ansprache die Sache verkündet. Ich habe dann nicht weiter direkt davon gesprochen, aber meine Ansprache war ganz auf den Gedanken eingestellt, daß nun die schlimmste Gefahr, von der die kathol. Kirche seit 12 Jahren bedroht war, sich zerteile u. der „Geist der Wahrheit“ uns alle Wahrheit lehren werde. Die Begeisterung war ganz groß u. wir schmetterten zum Schluß das Lied: „Ein Haus voll Glorie schauet ...“

     Frau Carmen Grantz will in Ribnitz eine Zeitung gesehen haben, in der amtlich mitgeteilt wurde, daß Goebbels in Bln. gefallen sei. Es heißt ferner, daß Hitler verwundet sei. Generalleutnant Dittmer, der Sprecher des OKW. beim Rundfunk, soll sich in einem Boot mit weißer Fahne über die Elbe in amerikan. Gefangenschaft begeben haben. Auch Naumann vom Propaganda-Ministerium ist zu den Amerikanern (angeblich) gegangen. In Bayern scheint nun der helle Aufstand ausgebrochen zu sein u. es sollen bereits sehr viele Bonzen getötet worden sein. An der Spitze der Aufstandsbewegung soll der Reichsstatthalter von Bayern, Ritter v. Epp, stehen. Es ist seit dem Mittwoch eine feste Verbindung zwischen den Russen u. den Amerikanern bei Torgau geschaffen, die heute bis Wittenberge reicht. Bei uns wird jetzt offiziell erklärt, daß wir alle Truppen an der Elbe nördlich Wittenberge bis Hamburg abgezogen hätten, um mit ihnen Berlin zu entsetzen. Von Berlin gehört uns nur noch der Stadtkern innerhalb der Ringbahn, aber an vielen Stellen ist des Russe auch dort eingebrochen. Wir haben heute nämlich bereits seit 10 Uhr Licht, sodaß ich um 1 Uhr den Sender Hamburg hören konnte. Wenn dem so ist, dann stellt sich die ganze Friedensaktion des Herrn Himmler wieder mal als ein offensichtliches Betrugsmanöver u. als üble Finte heraus. Dann will er nämlich nur gefahrlos die Nordfront gegen England entblößen, um alle Truppen gegen Rußland werfen zu können. Man staunt dabei nur, daß dieser Mensch immer noch so dumm ist, daß er glauben kann, die Alliierten würden auf dieses plumpe Manöver hereinfallen. Im Hamb. Sender wurde nämlich gesagt, es handele sich jetzt nur darum, ob diese Truppen von der Elbefront rasch genug in die Schlacht um Berlin eingreifen könnten, um die Besatzung Berlins wieder zu entsetzen.

     Gestern war der Ortsgruppenleiter von Prerow hier, um für neue Flüchtlinge Quartiere zu suchen. Der Kerl hatte den Mut, in seiner Erbswurstfarbenen Uniform zu erscheinen u. sogar auf der Dorfstraße eine Ansprache an das Volk zu halten. Der Kerl ist Bahnhofs-Vorsteher in Prerow. Die Wohnungs-Suchkommission, bestehen aus diesem „Goldfasan“, Herrn Deutschmann, Frau Gräff u. Frau Booth, hat aber unser Haus nicht betreten, woraus hervorgeht, daß wir uns doch eines sehr großen Wohlwollens im Orte erfreuen. Ohne dieses wären wir ganz bestimmt noch belegt worden.

     Prof. Reinmöller machte sich gestern an Martha auf der Straße heran, um ihr mitzuteilen, daß er eine besondere Hochachtung vor mir habe, weil ich in diesen 12 Jahren niemals meine Einstellung gegen den Nationalsozialism. geändert oder auch nur verborgen hätte. Es scheint, daß dieser Schwätzer jetzt sich anbiedern will.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-04-29. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-04-29_002.jpg&oldid=- (Version vom 24.8.2024)