Zum Inhalt springen

TBHB 1945-04-29

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: TBHB 1945-04-29
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1945
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel: Sonntag, 29. April 1945.
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 29. April 1945
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


Einführung

Der Artikel TBHB 1945-04-29 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 29. April 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Sonntag, 29. April 1945.     

[1]      Heute früh gab der Soldaten-Sender bekannt, daß Himmler der engl. u. der amerikan. Regierungsvertretung auf der Konferenz in San-Franzisko die bedingungslose Kapitulation Deutschlands angeboten habe. Das Angebot ist über das schwed. Rote Kreuz in Stockholm vermittelt worden. England + Amerika haben das Angebot zur Kenntnis genommen u. geantwortet, daß ein solches Angebot nur Berücksichtigung finden könne, wenn es zugleich auch an Rußland gerichtet würde. In San-Franz. hat sofort eine Besprechung der drei Außenminister stattgefunden. Stalin hat eine Depesche an Chuchill gesandt unbekannten Inhaltes. Churchill hat dieses Ereignis in [2] in England sofort offiziell bekannt gegeben.

     Ich habe heute in der Andacht, die so überfüllt war wie noch nie, zu Beginn meiner Ansprache die Sache verkündet. Ich habe dann nicht weiter direkt davon gesprochen, aber meine Ansprache war ganz auf den Gedanken eingestellt, daß nun die schlimmste Gefahr, von der die kathol. Kirche seit 12 Jahren bedroht war, sich zerteile u. der „Geist der Wahrheit“ uns alle Wahrheit lehren werde. Die Begeisterung war ganz groß u. wir schmetterten zum Schluß das Lied: „Ein Haus voll Glorie schauet ...“

     Frau Carmen Grantz will in Ribnitz eine Zeitung gesehen haben, in der amtlich mitgeteilt wurde, daß Goebbels in Bln. gefallen sei. Es heißt ferner, daß Hitler verwundet sei. Generalleutnant Dittmer, der Sprecher des OKW. beim Rundfunk, soll sich in einem Boot mit weißer Fahne über die Elbe in amerikan. Gefangenschaft begeben haben. Auch Naumann vom Propaganda-Ministerium ist zu den Amerikanern (angeblich) gegangen. In Bayern scheint nun der helle Aufstand ausgebrochen zu sein u. es sollen bereits sehr viele Bonzen getötet worden sein. An der Spitze der Aufstandsbewegung soll der Reichsstatthalter von Bayern, Ritter v. Epp, stehen. Es ist seit dem Mittwoch eine feste Verbindung zwischen den Russen u. den Amerikanern bei Torgau geschaffen, die heute bis Wittenberge reicht. Bei uns wird jetzt offiziell erklärt, daß wir alle Truppen an der Elbe nördlich Wittenberge bis Hamburg abgezogen hätten, um mit ihnen Berlin zu entsetzen. Von Berlin gehört uns nur noch der Stadtkern innerhalb der Ringbahn, aber an vielen Stellen ist des Russe auch dort eingebrochen. Wir haben heute nämlich bereits seit 10 Uhr Licht, sodaß ich um 1 Uhr den Sender Hamburg hören konnte. Wenn dem so ist, dann stellt sich die ganze Friedensaktion des Herrn Himmler wieder mal als ein offensichtliches Betrugsmanöver u. als üble Finte heraus. Dann will er nämlich nur gefahrlos die Nordfront gegen England entblößen, um alle Truppen gegen Rußland werfen zu können. Man staunt dabei nur, daß dieser Mensch immer noch so dumm ist, daß er glauben kann, die Alliierten würden auf dieses plumpe Manöver hereinfallen. Im Hamb. Sender wurde nämlich gesagt, es handele sich jetzt nur darum, ob diese Truppen von der Elbefront rasch genug in die Schlacht um Berlin eingreifen könnten, um die Besatzung Berlins wieder zu entsetzen.

     Gestern war der Ortsgruppenleiter von Prerow hier, um für neue Flüchtlinge Quartiere zu suchen. Der Kerl hatte den Mut, in seiner Erbswurstfarbenen Uniform zu erscheinen u. sogar auf der Dorfstraße eine Ansprache an das Volk zu halten. Der Kerl ist Bahnhofs-Vorsteher in Prerow. Die Wohnungs-Suchkommission, bestehen aus diesem „Goldfasan“, Herrn Deutschmann, Frau Gräff u. Frau Booth, hat aber unser Haus nicht betreten, woraus hervorgeht, daß wir uns doch eines sehr großen Wohlwollens im Orte erfreuen. Ohne dieses wären wir ganz bestimmt noch belegt worden.

     Prof. Reinmöller machte sich gestern an Martha auf der Straße heran, um ihr mitzuteilen, daß er eine besondere Hochachtung vor mir habe, weil ich in diesen 12 Jahren niemals meine Einstellung gegen den Nationalsozialism. geändert oder auch nur verborgen hätte. Es scheint, daß dieser Schwätzer jetzt sich anbiedern will.

[3]      Die Angelegenheit mit dem mysteriösen Auto hat sich als harmlos herausgestellt. Es handelte sich um eine Schwarzfahrt eines militär. Fahrers. – Die Familie des Gauleiters Schwede-Coburg ist, wie sich herausstellt, noch nicht hier, wird aber täglich erwartet. Die Flüchtlingsfrau mit ihren 4 Kindern, die bei Dr. Lewerenz wohnt, weigert sich, das Haus zu räumen. –

     Heute Abend gehen wir wieder zu Frau Longard, die eines aufmunternden Zuspruches sehr zu bedürfen scheint.

     Die Marine-Helferin Regina Treffer, die heute bei der Andacht in Zivil erschien, erzählte Genaueres über den Unfall, den Dr. Krappmann erlitten hat u. von dem ich gestern hörte. Danach ist Dr. K. auf einem Lastauto gewesen. Der Wagen wurde unterwegs von Tieffliegern angegriffen. Dr. K. scheint in voller Fahrt abgesprungen zu sein. Der Schofför hat dann, als er merkte, daß er von hinten angegriffen wurde, gebremst u. ist ebenfalls abgesprungen. Nach dem Angriff ist er auf die Suche nach Dr. K. gegangen, den er mehrere 100 mtr. weiter zurück bewußtlos auf der Straße gefunden hat. Er hat ihn mit seinem Wagen dann dorthin gefahren, wohin er die Familie des Dr. K. gebracht hat. Dort hat man ihn ins Lazarett gebracht, wo er aber bis zur Abfahrt des Autos das Bewußtsein nicht wiedererlangt haben soll. Das Auto selbst ist dann auf der Rückfahrt hierher nochmals verunglückt, indem es in einen Bombentrichter hineinfuhr. Weiter weiß ich nichts. Hoffentlich kommt er durch, es wäre sehr traurig, wenn dieser sonst so angenehme u. sympathische Offizier in den letzten Minuten dieses Krieges noch ums Leben käme.