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Seite:HansBrassTagebuch 1945-05-03 001.jpg

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Donnerstag, 3 Mai 1945.     

     9 Uhr vorm. Heute früh sind die Russen hier durchgekommen. Gestern war der ganze Tag ruhig, nur unsere Soldaten, die sich irgendwie mit Civilkleidern versorgt hatten, zogen den Weg zurück in den Darss, bzw. verteilten sich sonst in den Häusern. Es waren viele SS-Leute darunter, die gefährlich aussahen. Nachmittags war ich noch kurz bei Frau Longard u. fand sie etwas ruhiger. Abends zum Vortrag waren nur Herr + Frau Ziel u. Frl. Wernecke zugegen, alle anderen brachten die innere Ruhe dazu nicht auf. Herr Ziel war am Tage in der Batterie gewesen, die von Soldaten u. Bevölkerung total ausgeplündert war. Es muß dort furchtbar ausgesehen haben, man hat dort wüst gehaust. Die Baracken sind total demoliert, alles ist kurz u kleingeschlagen, Lebensmittel sind geplündert. Ziel hat in der total zerstörten Apotheke allerhand kostbare Heilmittel u. Medikamente sicher gestellt, um sie der Apotheke in Ribnitz zu geben, die diese Sachen dringend braucht.

     Um 7 Uhr heute früh kamen die ersten Reiter durch das Dorf, dann ein bespannter Lastwagen u. allerhand Soldaten, die in die Häuser gingen u. Uhren klauten. Ich war noch beim Ankleiden. Sie waren bei uns im Hause, aber nur in der Diele, wo Paul mit ihnen verhandelte u. gleich seine Armbanduhr los wurde. Als ich runter kam, war das schon vorbei. Ein Soldat kam vom Boden des kleinen Hauses, wo Meiers wohnen, aber er hat dort nichts genommen. Ich schenkte ihm Cigaretten u. er war zufrieden. Andere waren in der BuStu gewesen, wo sie aber nichts fanden. Bei Bernh. Saatmann nahmen sie auch die Uhr weg, bei Papenhagen fanden sie nichts, wollten aber Gläser haben, um Schnaps zu trinken u. gaben auch Carl Papenhagen davon ab. Schließlich zogen sie weiter. Aber bald nacher kamen andere Kolonnen, Reiter, Beutewagen u. Pferde, Radfahrer. Räder werden den Leuten einfach abgenommen. Meist fahren die Kolonnen im scharfen Trabe durch, einige halten u. sehen zu, ob sie noch etwas klauen können, aber im allgemeinen sind es ganz gutmütige Kerle, wenn man berücksichtigt, daß Troßleute niemals u. in keiner Armee Elitesoldaten sind. Hier u. da kommt auch mal ein Auto, Beutewagen, Limousinen, aber selten, meist Pferdewagen u. alles sehr strapaziert Ueberhaupt sehen auch die Soldaten ziemlich wüst aus, aber es sind meist noch junge Leute unter 30 Jahren. – Einer der Soldaten hat zu Martha gesagt, sie führen jetzt wieder zurück nach Rußland. Zu Papenhagen haben sie gesagt, Hitler, Goering u. Goebbels seien erschossen. Andere sollen gesagt haben, daß sie hier wieder fortgingen, es kämen die Amerikaner hierher. Nun, das sollte mir nicht leid tun. Gestern ging das Gerücht, daß bei Barth amerikan. Fallschirm-Truppen abgesetzt worden seien u. daß es sogar zu Schießereien zwischen Russen u. Amerikanern gekommen sei, aber das ist wohl sehr unwahrscheinlich.

     Der Troß reißt aber kaum ab. Es kommen immer neue Abteilungen. Einige der Soldaten sind schwer betrunken, aber abgesehen vom Klauen ist es noch zu keiner Unregelmäßigkeit gekommen. Die Olga von Seebergs, die ja Russin ist, will wissen, daß diese Abteilungen alle nach Prerow fahren, wo die 2. russ. Armee stehen soll.

1/2 12 Uhr.

     Der Durchzug hat jetzt nachgelassen. Es kamen eben noch drei elegante Limousinen, die noch die SS-Abzeichen trugen. Es schienen höhere Offiziere darin zu sein.

     Herr v. Knesebeck, der Bruder von Frau Garthe, erzählte mir soeben, daß er gestern Abend noch im Kurhause den letzten Heeresbericht gehört habe, da sie im Kurhaus einen Akkumulator haben. Nach diesem Heeresbericht ist der Führer einer schweren Verwundung erlegen u. der Großadmiral Dönitz habe die

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Hans Brass: TBHB 1945-05-03. , 1945, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-03_001.jpg&oldid=- (Version vom 24.8.2024)