Friede geschlossen werden, da ja irgendwelche Verhandlungen dazu nicht in Betracht kommen. – Es verlautet nichts darüber, wo unsere Bonzen geblieben sind. Diejenigen, welche Rundfunk hören können, weil sie einen Akku haben, erzählen, daß die Engländer an den Tod Hitlers nicht glauben, da noch niemand seine Leiche zu Gesicht bekommen hat. –
Soeben sagt mir Paul, daß Frl. Wernecke bei unserem Kommandanten gewesen sei, um sich über die Ausreise=Möglichkeiten zu erkundigen. Er habe ihr gesagt, sie solle noch 2 – 3 Tage warten, dann käme eine Zivilverwaltung hierher, die dann die entsprechenden Anordnungen treffen werde. Unter dieser Zivilverwaltung wird man wohl einen polit. Kommissar zu verstehen haben. Es ist anzunehmen, daß dann das Militär weitgehend zurückgezogen werden wird u. vielleicht nur ein kleines Wachkommando hier bleibt, wahrscheinl. für mehrere Dörfer zugleich. Von einer Besetzung durch Anglo-Amerikaner scheint aber keine Rede mehr zu sein.
3 Uhr nachm. Habe am Vormittag Gartenbeete eingeteilt, um Dahlien zu pflanzen, bin aber nicht sehr weit gekommen. Es strengte mich sehr an u. es fehlt die Lust. Später saß ich in meinem Zimmer am Fenster, als Eva von unten heraufrief. Ich ging rasch runter. Es stand ein Mongole an ihrer Tür u. wollte rein, der Kerl muß von hinten her durch den Garten gekommen sein. Ich ging, durch die Küche hinaus u. begrüßte den Burschen. Da er sich nicht vom Fleck rührte, versuchte ich es mit Zigaretten. Er wollte die ganze Schachtel haben, die ich ihm aber nicht gab. Dann wollte er eine Uhr haben, ich zuckte bedauernd die Achseln. Aber der Kerl ging nicht weg. Indessen ritten vorm Hause auf der Straße einige Russen umher, anscheinend Offiziere. Ich ließ den Kerl stehen, um nachzusehen, was es gäbe. Als ich wieder zurück kam, war der Kerl verschwunden, wahrscheinlich über die Düne.
In die Russen ist heute etwas Bewegung gekommen. Fünfzig Mann Infantristen marschierten in Richtung Prerow, auch mehrere Wagen fuhren dorthin, einer mit einer angebundenen Kuh. Auch zwei Geschütze fuhren durch das Dorf. Radfahrer fahren viel nach beiden Richtungen, auch einige Autos.
Eben kommt Paul vom Kurhaus, wo er den Sender gehört hat. Danach ist die endgültige Kapitulation der gesamten deutschen Wehrmacht jeden Augenblick zu erwarten. Es gibt nur noch einige kleine Widerstandsnester. Auf Rügen scheint bis jetzt noch gekämpft worden zu sein. Die gelegentlichen Flüchtlingsboote, die hier vorbeigefahren sind, dürften demnach von Rügen gewesen sein. In Norwegen, Dänemark u. Holland sollen die deutschen Formationen unter Führung ihrer eigenen Offiziere sich den Amerikanern stellen. Dönitz hat die Einstellung des U-Bootkrieges befohlen. Am Donnerstag begeht Churchill sein fünfjähr. Regierungsjubiläum u. man erwartet, daß bis zu diesem Tage der Krieg endgültig beendigt sein wird. – Von San-Franzisko hat es gehießen, daß die Russen die Regelung der polnischen Frage vertagen wollen. Der Sprecher im Rundfunk hat das „eine flagrante Verletzung der Abmachungen der Krim-Konferenz“ genannt, jedoch hat er gesagt, daß trotzdem die Verhandlungen weiter gingen, jedenfalls daß man dem Sinne nach die Beziehungen zu Rußland nicht abbrechen werde. Es bestehen demnach da sehr ernste Differenzen, die man bloß im Augenblick nicht auszutragen wünscht. Sie bleiben aber bestehen, bis zur gegebenen Zeit. Wenn ich
Hans Brass: TBHB 1945-05-07. , 1945, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-07_002.jpg&oldid=- (Version vom 25.8.2024)