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TBHB 1945-05-07

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-05-07
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Montag, 7. Mai 1945
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 7. Mai 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-05-07 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 7. Mai 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Montag, 7. Mai 1945     

[1]      9 Uhr morgens. Die Lage beruhigt sich mehr u. mehr. Gestern Nachmittag ging ich zu Frau Longard, die ich ganz wohl fand. Nachdem sich nun alles ereignet hat, ist sie viel ruhiger geworden. Sie hat natürlich auch mehrfach Besuch gehabt von den durchziehenden Tross=Soldaten, die Uhren, Ringe u. a. Schmucksachen geräubert haben u. auch den Frack-Anzug ihres Schwiegersohnes Pof. Kemper, den Frau Kemper neben anderen Sachen mit viel Mühe von Berlin hierher geschleppt hat, aber es ist sonst nichts geschehen. Es ist ja typisch, daß diese Bolschewisten grade einen Frack-Anzug klauen, darin offenbart sich die proletarische Sehnsucht nach der Bürgerlichkeit.

     Am Spätnachmittag kamen Frau Korsch u. Frau Masurek, die von ihren Erlebnissen erzählten. Auch ihnen ist nichts geschehen. Dann kam Herr Deutschmann, der sich nun wohl erhöhte Mühe gibt, mit uns gut zu stehen. Er wußte aber sonst auch nichts Neues. Während er hier war, kam die aufgeregte Frau Daubenspeck, die natürlich einen Korb voll Neuigkeiten wußte, aber alles belanglose Geschichten. Es sind gewiß hier u. da üble Dinge passiert, besonders im Hoffmannschen Hause, bei Knecht u. auch bei unserem Nachbar Brandt, aber was sonst erzählt worden ist, stellt sich gewöhnlich als maßlose Uebertreibung heraus. Spangenberg haben sie allerdings fast die ganze Garderobe gestohlen.

     Abends holte ich die letzte Flasche Wein, es war der Met-Wein, den wir vor einem Jahre zu Weihnachten von Betty Thomas aus Thorn bekamen. Wir haben nun bloß noch drei Flaschen franz. Sekt u. vier Flaschen Cognac. Paul u. Grete waren bei uns bis etwa 9 Uhr. Martha u. ich beteten dann noch gemeinsam einen Rosenkranz u. gingen dann schlafen.

     Sehr dumm ist es, daß man fast garkeine Nachrichten hört. In Swinemünde soll noch immer gekämpft werden u. auch sonst noch soll es einzelne Widerstandsnester geben, aber im großen Ganzen scheint doch überall Waffenruhe zu herrschen. Ob Paulus oder sonst jemand eine Regierung gebildet hat, ist nicht bekannt. Sobald das der Fall sein wird, wird doch wohl auch sofort der endgültige [2] Friede geschlossen werden, da ja irgendwelche Verhandlungen dazu nicht in Betracht kommen. – Es verlautet nichts darüber, wo unsere Bonzen geblieben sind. Diejenigen, welche Rundfunk hören können, weil sie einen Akku haben, erzählen, daß die Engländer an den Tod Hitlers nicht glauben, da noch niemand seine Leiche zu Gesicht bekommen hat. –

     Soeben sagt mir Paul, daß Frl. Wernecke bei unserem Kommandanten gewesen sei, um sich über die Ausreise=Möglichkeiten zu erkundigen. Er habe ihr gesagt, sie solle noch 2 – 3 Tage warten, dann käme eine Zivilverwaltung hierher, die dann die entsprechenden Anordnungen treffen werde. Unter dieser Zivilverwaltung wird man wohl einen polit. Kommissar zu verstehen haben. Es ist anzunehmen, daß dann das Militär weitgehend zurückgezogen werden wird u. vielleicht nur ein kleines Wachkommando hier bleibt, wahrscheinl. für mehrere Dörfer zugleich. Von einer Besetzung durch Anglo-Amerikaner scheint aber keine Rede mehr zu sein.

     3 Uhr nachm. Habe am Vormittag Gartenbeete eingeteilt, um Dahlien zu pflanzen, bin aber nicht sehr weit gekommen. Es strengte mich sehr an u. es fehlt die Lust. Später saß ich in meinem Zimmer am Fenster, als Eva von unten heraufrief. Ich ging rasch runter. Es stand ein Mongole an ihrer Tür u. wollte rein, der Kerl muß von hinten her durch den Garten gekommen sein. Ich ging, durch die Küche hinaus u. begrüßte den Burschen. Da er sich nicht vom Fleck rührte, versuchte ich es mit Zigaretten. Er wollte die ganze Schachtel haben, die ich ihm aber nicht gab. Dann wollte er eine Uhr haben, ich zuckte bedauernd die Achseln. Aber der Kerl ging nicht weg. Indessen ritten vorm Hause auf der Straße einige Russen umher, anscheinend Offiziere. Ich ließ den Kerl stehen, um nachzusehen, was es gäbe. Als ich wieder zurück kam, war der Kerl verschwunden, wahrscheinlich über die Düne.

     In die Russen ist heute etwas Bewegung gekommen. Fünfzig Mann Infantristen marschierten in Richtung Prerow, auch mehrere Wagen fuhren dorthin, einer mit einer angebundenen Kuh. Auch zwei Geschütze fuhren durch das Dorf. Radfahrer fahren viel nach beiden Richtungen, auch einige Autos.

     Eben kommt Paul vom Kurhaus, wo er den Sender gehört hat. Danach ist die endgültige Kapitulation der gesamten deutschen Wehrmacht jeden Augenblick zu erwarten. Es gibt nur noch einige kleine Widerstandsnester. Auf Rügen scheint bis jetzt noch gekämpft worden zu sein. Die gelegentlichen Flüchtlingsboote, die hier vorbeigefahren sind, dürften demnach von Rügen gewesen sein. In Norwegen, Dänemark u. Holland sollen die deutschen Formationen unter Führung ihrer eigenen Offiziere sich den Amerikanern stellen. Dönitz hat die Einstellung des U-Bootkrieges befohlen. Am Donnerstag begeht Churchill sein fünfjähr. Regierungsjubiläum u. man erwartet, daß bis zu diesem Tage der Krieg endgültig beendigt sein wird. – Von San-Franzisko hat es gehießen, daß die Russen die Regelung der polnischen Frage vertagen wollen. Der Sprecher im Rundfunk hat das „eine flagrante Verletzung der Abmachungen der Krim-Konferenz“ genannt, jedoch hat er gesagt, daß trotzdem die Verhandlungen weiter gingen, jedenfalls daß man dem Sinne nach die Beziehungen zu Rußland nicht abbrechen werde. Es bestehen demnach da sehr ernste Differenzen, die man bloß im Augenblick nicht auszutragen wünscht. Sie bleiben aber bestehen, bis zur gegebenen Zeit. Wenn ich [3] mir diese russischen Soldaten ansehe, wie sie hier herumlungern, so kann für mich kein Zweifel sein, daß die Anglo-Amerikaner diese Bande leicht besiegen könnten, wenn sie wollten. u. eines Tages werden sie es wollen. –

     Sonst wußte Paul nichts weiter. Von Himmler ist überhaupt nicht mehr die Rede, nur, daß ein Befehl von ihm aufgefunden worden ist, nach dem die Insassen des Konzentrationslagers Dachau keinesfalls lebend in die Hände der Anglo-Amerikaner fallen dürften. Es werden dort 30 – 40000 Insassen gewesen sein, der Befehl ist aber zum Glück nicht ausgeführt worden. – Ja, und noch dieses: die Amerikaner sind in Prag einmarschiert. Ich hatte bestimmt angenommen, daß man die ganze Tschechei den Russen überlassen würde. Wo hier oben bei uns die Anglo-Amerikaner eigentlich stehen, ist bisher immer noch nicht bekannt geworden.