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Seite:HansBrassTagebuch 1945-05-15 001.jpg

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tätig gewesen. Er hofft, daß er morgen einen Lebensmittel-Transport nach Ribnitz u. zurück organisieren kann, doch hängt das davon ab, was Herr Niemann, der heute nach Ribnitz zur Erkundung gefahren ist, für Nachrichten bringen wird. Dieser Herr Niemann stammt aus Stralsund. Er tauchte hier am 1. Mai Abends plötzlich auf. Er war mit seiner Familie von Stralsund im Auto geflohen u. kam dann hier nicht weiter.

     Gestern starb in Althagen Frau Elly Abeking am Herzschlag.

Dienstag, 15. Mai 1945.     

     Keine besonderen Ereignisse. Paul war gestern in Althagen u. traf unsere Trude, die ihm erzählte, daß die Eltern Dade Einquartierung von zwei Russen bekommen hätten. Bisher haben Dades die Tochter gut verbergen können, nun wird das sehr viel schwerer sein. Heute ist trübes u. windiges Wetter, aber bisher nur sehr geringe Niederschläge. Gerüchtweise wird erzählt, es sei nun endlich eine provisorische Regierung unter Generalfeldmarschall Paulus gebildet worden. Hoffentlich stimmt das, damit endlich wieder Post, Eisenbahn u. Stromversorgung in Betrieb kommen. Es ist lähmend, daß man überhaupt nicht weiß, was in der allernächsten Umgebung vor sich geht.

     5 Uhr nachm. Paul sagt mir eben, daß er mit jenem Herrn Niemeier (oder Niemann?) aus Stralsund gesprochen hat, der von seiner Mission in Ribnitz zurückgekehrt ist. Danach sollen in Ribnitz lauter rote Fahnen wehen u. die Kommunisten sollen die Lage beherrschen. – Er hat berichtet, daß Mehl, Kartoffeln u. a. Lebensmittel zur Verfügung stehen, doch müssen wir sie selbst abholen, was morgen geschehen soll, teilweise allerdings aus Rostock. Es ist ein Förster hier aus Ostpreußen, der eine Holzgas-Zugmaschine u. einen Wagen hier hat u. der bereit ist, mit entsprechendem Ausweis zu fahren. Die Ausweise sind vorhanden. In der Molkerei Wustrow sollen die Russen 60% der Milch beschlagnahmt haben, sodaß nur 40% für die Bevölkerung übrig bleibt. Infolgedessen will die Molkerei nur noch Mecklenburg beliefern, wir in Ahrenshoop bekämen dann nichts. Da wir dann aber auch keine Milch abzuliefern brauchen, wäre das ja nicht schlimm.

     Paul meint, daß die Erzählungen des Herrn Niemeier vielleicht nicht so ernst zu nehmen sind. Immerhin wird die russ. Verwaltung den Kommunisten ja keine Schwierigkeiten machen u. solange keine deutsche Regierung da ist, können sie natürlich nach Moskauer Muster tun u. machen, was sie wollen. – Alles Gerede, daß die Russen abziehen u. die Engländer herkämen, verstummt mehr u. mehr.

Mittwoch, 16. Mai 1945.     

     Der arme Paul ist furchtbar deprimiert. Ich holte gestern Abend eine Flasche franz. Cognag herauf u. gab ihm zu trinken, um seine Lebensgeister wieder aufzufrischen.

     In der Nacht waren wieder Plünderungen, wie es jede Nacht der Fall ist. Man ist niemals sicher, daß man nicht selbst drankommt. Es ist wie ein Wunder, daß bei uns noch nie etwas passiert ist.

     Heute ist nun also das Lebensmittel-Auto nach Ribnitz gefahren, vielleicht bringt es etwas. Mit dem Auto sind auch Flüchtlinge abgefahren, wie überhaupt ununterbrochen Flüchtlinge Ahrenshoop verlassen. Wenn wir diese

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Hans Brass: TBHB 1945-05-14. , 1945, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-15_001.jpg&oldid=- (Version vom 28.8.2024)