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TBHB 1945-05-14

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-05-14
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Montag, 14. Mai 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 14. Mai 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-05-14 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 14. Mai 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Montag, 14. Mai 1945.     

[1]      Gestern war ein richtig heißer Sommertag. Heute ist ebenfalls klares Wetter, aber windig.

     Am Spätnachmittag kamen Frau Denzien aus Althagen, die Frau des Ribnitzer Rechtsanwalts, der ehemals ein großer Nazi war. Mit ihr kam Frau Meyer, die Frau eines Oberleutnants, der bei der aus Swinemünde hierher gekommenen Marine-Artillerie-Abteilung war. Sie selbst war die Führerin der Nachrichten-Helferinnen derselben Abteilung. Beide Frauen wohnen in Althagen im Hause Smith, in der Wohnung von Dr. Krappmann. Auch der Oberleutn. Meyer selbst ist noch dort, sowie der Kapitänleutnant Wegener, der Führer dieser Abteilung u. dessen Frau. Da nun heute alle Flüchtlinge Althagen verlassen u. alle Männer zwischen 17 – 50 Jahren sich melden müssen, will der Oberlt. Meyer mit seiner Frau heute früh Althagen per Rad verlassen, um zu versuchen, sich nach dem Westen durchzuschlagen. Frau Denzien will zurück nach Ribnitz. Der Kapitänlt. Wegener bleibt mit seiner Frau da u. meldet sich. Seine Frau, die erst vor wenigen Tagen ein Kind bekommen hat, könnte eine so anstrengende Reise nicht machen. Uebrigens ist sie von einem russischen Soldaten vergewaltigt worden.

     Frau Denzien wollte wissen, daß die Russen in Ribnitz u. Rostock fürchterlich gehaust haben, bzw. noch hausen Es sollen sich dort einige achtzig Personen das Leben genommen haben, unter ihnen die Frau des Zahnarztes Mayn. Dr. Thron soll mit seiner Frau gut durch alle Fährnisse hindurchgekommen sein. Dr. Wessel soll geflüchtet sein, aber man will wissen, daß die Russen ihn dann doch geschnappt hätten. Alles das sind aber bloß Gerüchte. Man sagt, daß die Russen in ganz Mecklenburg viel schlimmer gehaust hätten, als hier bei uns. Abends kam noch Agnes Borchers u. ihr Mann. Sie erzählte, daß die Russen weitere Häuser in Niehagen=Fulgen beschlagnahmt hätten, die Bewohner hätten angeblich in einer halben Stunde die Häuser räumen müssen, unter ihnen auch der alte Koch=Gotha. Es sollen nach Alt= u. Niehagen wieder neue Truppen gekommen sein. Ich kann mir nur denken, daß das vorübergehende Maßnahmen sind, bis all diese Truppen nach Rußland zurück transportiert werden. –

Auch Herr Brandt kam am Spätnachmittag. Der Mann [2] entwickelt ein gewaltiges Interesse am Wohl unserer Gemeinde, – ein Interesse das bestimmt nicht ohne Eigennutz ist. Er bemüht sich sehr, zu beweisen, daß er nie Nazi war.

     Der alte Papenhagen ist gestern Abend erst aus dem Darss zurückgekommen. Die Russen haben ihn nach Ibenhorst geholt, wo er Reparaturarbeiten an Wagen u. Geräten machen muß. Sie bauen dort behelfsmäßige Unterkünfte u. es scheint so, als ob dort eine stärkere Abteilung läge. Es ist sehr sonderbar, daß die Russen die ganzen Fischlanddörfer so stark belegen u. sich im ganzen Darss bis Prerow u. Zingst festgesetzt haben, während Ahrenshoop völlig frei von Truppen ist. Auch am Tage sieht man verhältnismäßig wenig Soldaten durch das Dorf gehen, das Plündern hat fast ganz aufgehört, nur Nachts kommen immer einige Soldaten her, schlagen gegen Haustüren u. begehren Einlaß auf der Suche nach jungen Frauen u. Mädchen. Dennoch bleibt immer die Sorge über uns schweben, daß sie auch bei uns Häuser beschlagnahmen u. mit Soldaten belegen.

     Sehr unanständig fand ich gestern die Frau des Oberlt. Meyer, die den Unfall von Dr. Krappmann als beabsichtigt hinstellte, um sich auf diese Weise vor den Russen in Sicherheit zu bringen. Wenn es der Fall wäre, was ja immerhin möglich ist, dann wäre das sehr geschickt gemacht worden, aber man könnte ihm nicht den geringsten Vorwurf daraus machen. Er war ja nicht Chef der Batterie, sondern nur Kursusleiter u. wenn er sich der russischen Gefangenschaft entziehen konnte, dann wäre er dumm gewesen, es nicht zu tun. Er hatte keine Verpflichtung, bei der Batterie zu bleiben. Frau Meyer aber machte ihre Bemerkungen so, daß man daraus ein abfälliges Urteil entnehmen mußte. Herr Oberlt. Meyer hat sich ja bisher selbst der russ. Gefangenschaft entzogen, indem er sich in Civil im Hause Smith verborgen gehalten hat. Um das Schicksal der Mannschaften hat sich ja keiner dieser Herren gekümmert. Keiner der Soldaten hat gewußt, wo ihre Vorgesetzten geblieben waren. Ebensowenig hat sich die Frau Meyer um die Nachrichten-Helferinnen weiter gekümmert. Alle diese Mädchen sind einzeln unter dem unzulänglichen Schutz einzelner Soldaten auf die Wanderschaft gegangen, was aus ihnen geworden ist, weiß niemand.

     3 Uhr nachm. Heute Vormittag brachte ich die letzten Dahlien-Knollen in die Erde. Ich habe sie diesmal alle ohne Komposterde eingepflanzt, sie werden dürftig werden, aber wenigstens verfaulen die Knollen nicht im Keller.

     In der Nacht sind Flüchtlinge wieder im Geschäft von Reichert-Saatmann gewesen u. haben noch von dem herausgeschleppt, was noch da war. Es sollen hauptsächlich die Leute gewesen sein, die im Haus am Meer untergebracht sind u. die wirklich übelster Pöbel sind. Seit heute Vormittag steht nun bei Saatmann alles an, was stehen kann, denn er verkauft nun die Reste. Eben kommt Herr Borchers, der für uns mit angestanden hat, u. bringt, was er bekommen hat: Zucker, Erbsen, Gries.

     Susi Lappe hat Martha erzählt, daß ihre Verwandten aus Born gestern mit einem Boot von dort herübergekommen seien. Sie haben gesagt, daß in Born kein einziger russischer Soldat sei. Es ist wirklich merkwürdig, wo doch Ibenhorst voll Soldaten ist. Herr Gerdes, der freilich viel schwätzt, wollte heute bestimmt wissen, daß die Russen bald abziehen. Ich glaube es nicht.

     Paul ist heute zum ersten Male in der Gemeinde [3] tätig gewesen. Er hofft, daß er morgen einen Lebensmittel-Transport nach Ribnitz u. zurück organisieren kann, doch hängt das davon ab, was Herr Niemann, der heute nach Ribnitz zur Erkundung gefahren ist, für Nachrichten bringen wird. Dieser Herr Niemann stammt aus Stralsund. Er tauchte hier am 1. Mai Abends plötzlich auf. Er war mit seiner Familie von Stralsund im Auto geflohen u. kam dann hier nicht weiter.

     Gestern starb in Althagen Frau Elly Abeking am Herzschlag.