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Seite:HansBrassTagebuch 1945-05-24 001.jpg

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Gestern wurde schon erzählt, daß in Ahrenshoop erholungsbedürftige Russen untergebracht werden sollten. Heute Morgen schickte Paul aus der Gemeinde Herrn Degener, ich möchte doch gleich mal ins Amt kommen. Es waren dort zwei Russen, der eine jünger u. intelligent aussehend, der andere offenbar dessen Vorgesetzter mit dem Aussehen eines Feldwebels. Der Intelligente konnte einigermaßen deutsch. Er sagte mir, daß in Ahrenshoop ein Erholungsort eingerichtet werden sollte für etwa zwei Monate u. es solle alles schön neu angestrichen werden. Ich machte ihm klar, daß ich dazu nicht zuständig wäre, ich wäre Kunstmaler. Darauf fragte er, ob ich Portaits machen könnte nach Vorlagen aus Journalen. Ich sagte ihm, daß ich das bereits täte für den Kommandanten u. daß ich Stalin u. Lenin malte. Ich würde damit noch 4 – 5 Tage zu tun haben. Er meinte, daß er dann kommen würde, sich die Bilder anzusehen u. daß ich dann für niemand anders mehr malen dürfte, als nur für ihn. Ich war damit einverstanden u. verabschiedete mich wieder.

     Inzwischen kam mein Oberleutnant nochmals u. brachte mir ein besseres Bild von Stalin. Dazu legte er abermals ein Paket Tabak.

     4 Uhr nachm. Das erste Stalin-Bild ist fertig. Ich glaube, daß es gut geworden ist u. den Leuten gefallen wird. Ich habe es in Schwarz u. Weiß skizzenhaft hingehauen, allerdings sieht Stalin auf meinem Bilde sehr viel aristokratischer aus, als auf der Vorlage.

     Eben war Partikel da mit einer Liste zwecks Registrierung aller Einwohner. Ich sprach von dem Auftrag, Stalin u. Lenin zu portraitieren. P. sagte, daß dieser selbe Oberleutnant auch bei ihm gewesen wäre, aber er meint, der Mann sei ein Schwindler. Das ist großer Unsinn, P. versteht einfach nicht die naive Mentalität dieser Leute u. denkt, daß sie schwindeln.

     Im Ort sind mehrere Pensionshäuser beschlagnahmt worden zur Unterbringung erholungsbedürftiger Soldaten. Es ist auch die Rede davon gewesen, daß die Bunte Stube als Kantine beschlagnahmt werden solle. Wir hätten dagegen nichts einzuwenden.

Donnerstag, 24. Mai 1945.     

     Gestern am Spätnachmittag kam der Rechtsanw. Hoffmann, der Verbindungsmann zwischen den Gemeinden u. der russ. Behörde, mit seiner Frau. Wir saßen im Seezimmer. Ich ahnte nichts Böses u. glaubte, daß er uns nur einen Besuch machen wolle. Er erklärte mir aber, daß er gekommen sei, mich im Auftrage des russ. Kommandanten zu fragen, ob ich bereit sei, die Geschäfte des Bürgermeisters von Ahrenshoop zu übernehmen. – Ich war entsetzt u. lehnte es mit Entschiedenheit ab. – Herr Hoffmann fragte, wen ich sodann vorschlagen könne. Ich nannte Paul. Hoffmann sagte, daß Küntzel ja eigentlich nicht in Ahrenshoop wohne u. außerdem mit den Verhältnissen nicht gut vertraut wäre. Er käme deshalb nicht in Frage. Einen anderen konnte ich dann freilich nicht nennen. Herr Hoffmann fing dann an, mich zu überreden. Er sagte, daß das ganze Dorf hinter mir stände u. alle von mir erwarteten, daß ich die Führung übernehme u. daß Gräff eben in der jetzigen Zeit unmöglich sei. Außerdem würde mir ja genügend Hilfe zur Verfügung

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Hans Brass: TBHB 1945-05-23. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-24_001.jpg&oldid=- (Version vom 29.8.2024)