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Seite:HansBrassTagebuch 1945-06-07 001.jpg

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     Spät Abends kam noch unser Lebensmittel-Auto von glückhafter Fahrt zurück u. brachte uns 50 Centner Kartoffeln u. ein Schwein, nachdem es schon gestern Schlachtvieh mitgebracht hatte. Die Kartoffeln wurden bei Reichert abgeladen u. über Nacht von unseren Hilfspolizisten bewacht. Heute werden sie verkauft. Das Auto ist heute wieder ausgelaufen, vielleicht bekommen wir Mehl u. nochmals Kartoffeln.

     Nach allem, was ich höre, scheinen die Russen jetzt aus Althagen abgezogen zu sein. Es ist alles ruhig.

Donnerstag, 7. Juni 1945.     

     Der Tag gestern ohne besondere Ereignisse, nur daß ein Wachkommando mit einem jungen Leutnant u. acht Mann, Kosacken –, in Haus Claassen eingezogen ist. Die schönen Beutepferde stehen einfach draußen im Freien. Das Kommando soll das Meer beobachten, – zu welchem Zweck ist unerfindlich, denn besondere optische Instrumente haben sie nicht. – Abends kam der arme Bauer Paetow u. berichtete, daß die Russen ihm eine Kuh von der Koppel gestohlen hätten. Er war völlig verzweifelt. Ich holte Dr. Hahn u. bat ihn, zum Kommandanten zu gehen, was er auch bereitwillig, aber völlig erfolglos tat. Paetow will heute Morgen selbst hingehen u. bat mich, mitzukommen, – ich hoffe, daß er darauf verzichtet, denn es ist zwecklos u. für mich sehr anstrengend. – Gestern brachte das Lebensmittel-Auto nochmals 100 Ctr. Kartoffeln. Auch die Wustrower Molkerei hat etwas Butter angeliefert.

     Abends hielt ich trotz aller Schwierigkeiten meinen Mittwoch-Vortrag. – Am Radio hörte ich, daß man die verkohlte Leiche Hitlers unter den Trümmern der Reichskanzlei gefunden hat.

Herz-Jesu-Freitag, 8. Juni 1945     

     u. Martha's Geburtstag. Der gestrige Tag brachte keine Ereignisse. Nachmittags machte ich unseren Kosakken im Hause Claassen einen Besuch, besichtigte ihr Quartier u. erkundigte mich nach ihren Wünschen. Sie waren darüber sehr erfreut u. der Wachtmeister versicherte mir, daß er der Gemeinde in jeder Weise helfen wolle. Hoffentlich bleibt es dabei. – Eben war Frl. v. Tigerström hier u. erzählte kurz von Kükenshagen, wo es fürchterlich aussehen muß. Sie sagte, daß gegenwärtig zwei Divisionen Ural-Kosakken durch Damgarten marschieren, die sehr wilde Leute sein sollen.

Sonnabend, 9. Juni 1945.     

     Martha bekam gestern viel Blumen geschenkt u. von Gretel Neumann einen Obstkuchen, von Frau Ziel ein Näpfchen mit Schmalz usw. Auch Trude hatte einen Kuchen gebacken. Abends saßen wir mit Küntzels u. den Töchtern, aßen Kuchen u. ich holte die vorletzte Flasche Pommery. Nun ist nur noch eine da, die zu meinem Geburtstage dran glauben soll.

     Sonst hat sich nichts Besonderes ereignet. Unsere kleine Kosakken-Abteilung benimmt sich anständig u. es herrscht Ruhe, die Bevölkerung fängt an, wieder aufzuatmen. Morgen Nachmittag habe ich alle zum Baltischen Hof eingeladen, nachmittags 4 Uhr, um eine Rede zu halten über die allgemeine Situation. Heute Nachmittag sind wir bei Ziels zum Kaffee eingeladen, da Frau Ziel heute 70 Jahre alt wird. Heute früh habe ich meine Garderobe wieder aus dem Versteck hervorgeholt u. sie wieder in den Kleiderschrank getan, die Gefahr ist wohl

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Hans Brass: TBHB 1945-06-06. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-06-07_001.jpg&oldid=- (Version vom 31.8.2024)