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TBHB 1945-06-06

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-06-06
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Mittwoch, 6. Juni 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 6. Juni 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-06-06 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 6. Juni 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Mittwoch, 6. Juni 1945.     

[1]      Der gestrige Tag verlief ausnahmsweise ohne besonderen Aerger oder Zwischenfälle. Abends kam Herr Dr. Hoffmann mit einem Vertreter des Landratsamtes Rostock, einem Herrn Granzow oder so ähnlich. Dieser Herr räumte ein, daß die Verfügung, nach der Ahrenshoop jetzt zu Mecklenburg gehören soll, jeglicher Rechtskraft entbehrt u. daß es an mir läge, wie ich mich dazu stellen wollte. Ich vertrat die Ansicht, daß die Zugehörigkeit Ahrenshoops zu Mecklenbg. einfach sinngemäß wäre u. eine Verbindung mit Barth praktisch unmöglich sei, aber daß ich natürlich die Entscheidung der höheren Behörde überlassen müßte, die freilich nicht vorhanden wäre. Herr Granzow war ein einfacher Mann mit einem roten Läppchen im Knopfloch sehr vergnügt u. sehr pfiffig, ein typischer Vertreter der alten sozialistischen Partei. Herr Hoffmann teilte mir nun auch offiziell mit, daß er nicht mehr Bezirks-Bürgermeister sei.

     Ehe die Herren kamen, war Frau Inge Lehment bei mir u. erzählte mir, daß eine Frau bei ihr gewesen sei, die sich als die Gattin eines Rechtsanwalts Assmann vorgestellt habe. Sie sei Dolmetscherin beim russ. Kommandanten in Wustrow u. wisse daher genau Bescheid über die Denuntiationen u. Anzeigen, die beim russ. Kommandanten einliefen. So wisse sie auch, daß Inge Lehment von Russen belästigt worden wäre u. daß Inge im Garten Alkohol vergraben habe. Sie sagte, daß Inge deshalb in nächster Zeit darauf gefaßt sein müßte, daß ihr Garten umgegraben werden würde. Sie, Frau Assmann kenne aber als Rechtsanwaltsfrau Inges Vater Dr. Helms u. deshalb wolle sie ihr helfen. Inge solle ihr etwas von dem Cognak usw. abgeben, sie würde ihr dafür Speck u. a. Lebensmittel verschaffen. –

     In der Tat hatten die Eltern Helms am Tage, ehe die Russen kamen, Cognak u. Wein im Garten vergraben u. dabei hatte ihnen das Ehepaar Risch, das zu Besuch war, geholfen. Später hat Inge die Flaschen allerdings wieder ausgegraben u. in den Keller gelegt. Frau Assmann hat also ihre Kenntnis anscheinend von Herrn Risch. So erklärt sich dann auch, daß die Russen am letzten Sonntag Nachts in den Keller bei Inge Lehment einzudringen versucht haben. – Vielleicht erklären sich damit auch die früheren Plünderungen im Reichert'schen Geschäft u. in der Privatwohnung von Reichert, da Herr Risch ja mit Herrn Reichert sehr befreundet ist u. über alles genau bescheid weiß. Es ist mir schon oft aufgefallen, daß immer, wenn irgendwo etwas los ist, Herr Risch sofort auftaucht u. herumschnüffelt. – Ich fragte Dr. Hoffmann nach dieser Frau Assmann, aber sie war ihm völlig unbekannt. – Inge Lehment hat der Frau dann eine Flasche Cognak gegeben u. sie ist damit abgezogen in der Richtung nach dem Söhlke'schen Hause, obgleich sie vorher gesagt hatte, ihr „Auto“ warte bei der Batterie auf sie. Man wird auf Herrn Risch aufmerksam sein müssen, er ist ein höchst unsympat. Geselle.

     Herr Liebers hat mir nun einen Batterie-Empfänger aufgestellt u. wir hörten gestern Abend zum ersten Male seit langer Zeit wieder einmal Nachrichten. Es wurde die Deklaration der interalliierten Militärkommission in Berlin zum Waffenstillstand durchgegeben.

[2]      Spät Abends kam noch unser Lebensmittel-Auto von glückhafter Fahrt zurück u. brachte uns 50 Centner Kartoffeln u. ein Schwein, nachdem es schon gestern Schlachtvieh mitgebracht hatte. Die Kartoffeln wurden bei Reichert abgeladen u. über Nacht von unseren Hilfspolizisten bewacht. Heute werden sie verkauft. Das Auto ist heute wieder ausgelaufen, vielleicht bekommen wir Mehl u. nochmals Kartoffeln.

     Nach allem, was ich höre, scheinen die Russen jetzt aus Althagen abgezogen zu sein. Es ist alles ruhig.