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Seite:HansBrassTagebuch 1945-06-18 001.jpg

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die Haltlosigkeit aller Beschuldigungen ergab.

     In der Notgemeinschaft ist jetzt ein furchtbarer Russenbetrieb. Alle wollen Uniformen haben, denn alle sind ja furchtbar abgerissen. – Gestern sagte der Wachtmeister Joseph, der nun wirklich unser Freund geworden ist, zu mir im Gemeindeamt, daß er nie für möglich gehalten hätte, daß die Russen Deutschland besiegen würde. Er erklärte den russ. Sieg allein aus dem unsinnigen Terror unserer Soldaten. Er sei, sagte er, von Leningrad bis zum Kaukasus gereist u. er habe die Verwüstung Rußlands gesehen. Es gäbe keine Dörfer u. keine Städte mehr, die Menschen hausten in den Wäldern u. alte Frauen hätten ihm schreckliche Dinge erzählt. Dadurch hätten wir selbst einen Haß großgezogen, der an sich vorher garnicht vorhanden gewesen wäre u. es sei dadurch die Partisanen-Bewegung hinter unserer Front so groß u. so erfolgreich gewesen. –

     Gestern früh wurde eine Leiche angeschwemmt, heute früh schon wieder eine. Es ist starker Westwind u. Südwestwind, – es wird wohl viele Leichen geben.

     Gestern Abend kam Herr Maßmann aus Prerow. Er erzählte von dort. Es sieht ungefähr ebenso aus, wie bei uns, nur daß dort anscheinend ein Schieber Bürgermeister ist.

     Die Andacht heute wieder stark besucht. Nachher kamen zwei Lastwagen mit Kosacken u. Infanteristen, sonst aber leer. Herr Gläser war zufällig grade da. Die Leute wollten unseren Lastwagen haben. Es waren ekelhafte, rohe Kerle, Oberleutnants. Der Schutzbrief, den wir für unseren Lastwagen haben, rettete den Wagen. Die Kerle wollten dann Personenwagen, – ich lachte u. sagte ihnen, sie sollten mir einen zeigen. Die Kerle fuhren schließlich weiter, hielten aber am Balt. Hof. Ich weiß nicht, was daraus geworden ist, offenbar sind sie auf Raub aus. Gestern Nachmittag haben auch unsere Kosacken, die aus dem Kurhause wieder ausgezogen sind in das Haus Monheim, das Haus am Meer ausgeräumt. Sie brauchen bei Monheim natürlich Betten, Matratzen, Sessel, Stühle u. Sofas u. sie haben das alles aus dem Haus am Meer geholt. Man kann da nichts machen, denn das Haus steht leer. –

Herr Hörisch, der Schwiegersohn von Triebsch, erzählte gestern in der BuStu. vor vielen Zuhörern von seinen Erlebnissen in Berlin während der Kampftage u. nachher. Herr H. ist vorgestern hierher gekommen u. geht wieder nach Bln. zurück. Er erzählte sehr sachlich ohne Uebertreibung u. sehr nüchtern. Ernährungsmäßig sind die Berliner demnach besser gestellt, als wir, aber das Leben dort ist keineswegs schön.

Montag, 18. Juni 1945.     

     Gestern beauftragte ich Krull, die angeschwemmte Leiche fortschaffen zu lassen. Nachmittags bekam ich Unruhe, ob die Sache gemacht worden sei u. ich ging zum Strande, wo die Leiche auch tatsächlich noch lag. Ein schauerlicher Anblick. Die Leiche war ganz nackt, nur am linken Fuß war eine graue Wollsocke, die B. K. gezeichnet war, um den Hals eine Erkennungsmarke Nr. 1910, die auf der Rückseite eine Zeichnung trug, einem Segelschiff ähnlich. Die Leiche war bereits sehr aufgedunsen, ein Mann von etwa 40 Jahren. Ich ging darauf zu Meier, damit er für die Fortschaffung sorge, was er auch bereitwillig tat. Dann kam sehr aufgeregt Krull. Er war erst um 4 Uhr nachhause gekommen u. niemand hatte mich benachrichtigt, daß er nicht zuhause gewesen war. Die Sache ging

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Hans Brass: TBHB 1945-06-17. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-06-18_001.jpg&oldid=- (Version vom 4.9.2024)