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Seite:HansBrassTagebuch 1945-06-27 001.jpg

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     Auch in ganz Wustrow wird überall vom 28. Juni gesprochen als einem Termin, der irgend eine noch unbekannte Entscheidung bringen soll.

Mittwoch, 27. Juni 1945.     

     Gestern suchte mich Frau Hagedorn auf, um nochmals über die Beschlagnahmung zu sprechen. Ich erfuhr von ihr, daß die beiden Herren von der polit. Polizei in Ribnitz bereits am Sonnabend Nachmittag dort gewesen waren u. das Haus durchsucht hatten. Dabei haben sie sechs oder acht harte Mettwürste in einen Koffer getan, der Hagedorn gehörte sowie andere Kleinigkeiten wie Nudeln u. auch 1/2 Pfund Bohnenkaffee, sowie Cigaretten u. Cigarren. Abends haben sie dann von Frau Hagedorn Abendessen verlangt u. haben drei Weizenbrote bestellt. Am Sonntag früh haben sie dann die eigentliche Haussuchung durchgeführt, wobei das Mehl u. das Rauchfleisch usw. beschlagnahmt wurde, während die anderen Sachen vom Abend vorher, darunter auch Spirituosen, verschwunden blieben. – Schon vorher hatte ich durch Rückfrage beim ehem. Schöffen Voss festgestellt, daß es mit den Schlachtscheinen seine Richtigkeit hatte u. Hagedorn rechtmäßig drei Schweine geschlachtet hatte. Mithin war die Beschlagnahmung des Rauchfleisches zu Unrecht erfolgt u. ich ließ es durch Leplow wieder ausliefern. Es ist ganz offensichtlich, daß diese beiden Kerle von der polit. Polizei in Ribnitz ganz gewöhnliche Gauner sind, die nur die Absicht der eigenen Bereicherung haben. Es ist das ein Skandal erster Güte. Ich werde sofort Dr. Hoffmann verständigen.

     Unsere Fleischversorgung ist ernsthaft gefährdet. Leplow hat stets in der Umgegend von Damgarten Fleisch gekauft. Jetzt hat der Bürgermeister von Damgarten im Verein mit dem dortigen russ. Kommandanten den Viehverkauf nach auswärts gesperrt u. da der Kommandant in Wustrow niemanden durchläßt, ist es nicht möglich, in Damgarten zu verhandeln. –

     Rührend sind einige Ahrenshooper Kinder, welche jetzt täglich ein Kasperle-Theater veranstalten, wobei sie Eintritt erheben. Den Betrag liefern sie dann an die Notgemeinschaft aus. –

     Aus Berlin ist jetzt der Schwiegersohn von der Frau Müller, die bei Saatmann-Reichert ist, mit seiner Frau im Auto hier angekommen. Er ist Holländer. Er erzählt sicher sehr übertriebene Wunderdinge von Berlin. Er ist Artist u. scheint im Speck zu sitzen. Diese Sorte von Geschäftemachern blüht jetzt überall üppig auf, es ist widerlich.

     Heute u. morgen ist nun also der geheimnisvolle Termin, von dem alle Leute reden, ohne zu wissen, was zu diesem Termin geschehen soll. – Im Rundfunk heißt es, daß die englischen u. amerikan. Soldaten jetzt in Berlin einmarschieren werden u. daß in Berlin eine große Siegesparade stattfinden soll. Die Spannung wegen Polen hält indessen unvermindert an. Gestern Abend sahen wir mindestens acht Schiffe am Horizont, die in Richtung Kiel fuhren, alles Kriegsschiffe, Kreuzer, Zerstörer u. Torpedoboote.

     3 Uhr Nachmittag.

     Herr Dr. Ziel war heute morgen in der Angelegenheit Hagedorn bei mir im Geschäftszimmer. Frau Hagedorn hat ihm nämlich in ihrem Laden die ganze Geschichte erzählt, wobei es sich nicht vermeiden ließ, daß auch andere Leute davon Kenntnis nahmen. Damit ist nun diese Sache eine öffentliche Angelegenheit geworden u. ich bin gezwungen, dazu irgendwie Stellung zu nehmen. Ich habe sogleich Herrn Dr. Hoffmann zu einer Unterredung hierher gebeten.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-06-25. , 1945, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-06-27_001.jpg&oldid=- (Version vom 5.9.2024)