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Seite:HansBrassTagebuch 1945-06-28 001.jpg

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Es ist mir nicht klar, was ich tun soll. Ein Gericht u. einen Staatsanwalt gibt es nicht, der sog. kommissar. Landrat in Rostock, ein Mann namens Oldach, schickt zwar gelegentlich durch Herrn Granzow irgend welche Verfügungen, aber in der Hauptsache scheint doch der Oberbürgermeister Seitz in Rostock zu regieren. Niemand weiß aber, woher er seine Regierungsgewalt hat. Herr Dr. Ziel will wissen, daß er ein Kommunist aus München sei. Wenn das zutrifft dann wird er natürlich diese Herren von der sog. polit. Polizei in Ribnitz, die ja auch Kommunisten sind, decken. Es bleibt dann bloß unser russ. Kommandant übrig, an den ich mich wenden könnte, aber ob dabei etwas herauskommt, ist sehr fraglich. – Dieser hat übrigens heute Morgen durch Herold bei Martha um zwei Schachteln Cigaretten bitten lassen, was immerhin eigenartig ist. Als ich eben ins Amt ging, traf ich ihn vorm kleinen Hause, wo er mich so herzlich begrüßte, wie er es immer tut. Ich sagte ihm, daß ich gehört hätte, er wolle gerne Cigaretten. Ich ließ ihn unten warten u. holte eine Packung mit 10 Schachteln herunter u. gab sie ihm. Vielleicht ist er damit zufrieden, vielleicht aber sieht er darin auch eine Aufforderung, noch mehr zu verlangen, man kann das nicht wissen. –

     Vormittags war der Bauer Paetow bei mir. Er klagte, daß die Russen aus Wustrow ihm 4 Fuder Heu fortgenommen hätten. Er ist grade dabei, Heu zu machen, gestern hat er zwei Fuder eingefahren, heute wollte er das übrige einfahren u. wie er alles in Haufen gesetzt hat, kommen die Russen, u. nehmen es weg. Der alte Mann, der schon so furchtbar ausgeplündert worden ist, weinte wie ein Kind. Es war sehr erschütternd.

     Nachmittags kommt von Dillwitz aus Althagen die Nachricht, daß wir bis heute abend 9 Uhr wieder Bettlaken u. andere Gegenstände für die Wustrower Kommandantur liefern sollen. Ich lasse die Forderung übersetzen u. schicke sie dann unserem Kommandanten zur Entscheidung, – aber er wird da auch nichts weiter machen können, obwohl er immer behauptet, daß die Wustrower Kommandantur uns nichts zu sagen hätte.

Donnerstag, 28. Juni 1945.     

     Die unangenehmen Ereignisse, die sich am gestrigen Tage häuften, nahmen bis zum Abend kein Ende. Ueber die von Althagen geforderte Lieferung entschied unser Kommandant allerdings erfreulicherweise, daß alle in Ahrenshoop befindlichen Gegenstände als von der russischen Wehrmacht bereits beschlagnahmt zu gelten hätten u. nichts nach außerhalb auszuliefern sei. – Später wurde bei Frau Spangenberg von Russen ein Hemd gestohlen u. Frau Kahl, welche rasch den Kommandanten holen wollte, wurde von einem Hunde angefallen, der ihr den Mantel zerriß. Dann tauchte plötzlich der Leutnant auf, der der Vorgesetzte unseres Kommandanten ist. Er kam ins kleine Haus u. fragte Martha aus, woher der Unteroffizier (unser Kommandant) den Stoff zu der neuen Jacke u. der neuen Hose habe, die ihm Martha hat machen lassen. Es war schwierig, weil man nicht wissen konnte, was der Leutnant dachte. Martha sagte, wir hätten ihm den Stoff geschenkt, weil er so gut sei u. uns bei jeder Gelegenheit behilflich wäre. Der Leutnant kann zu wenig Deutsch, als daß die Sache klar geworden wäre. Wenn ich recht verstanden habe, will er heute abend wiederkommen u. wir sollen für einen

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Hans Brass: TBHB 1945-06-27. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-06-28_001.jpg&oldid=- (Version vom 5.9.2024)