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TBHB 1945-06-27

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-06-27
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Mittwoch, 27. Juni 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 27. Juni 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-06-27 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 27. Juni 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Mittwoch, 27. Juni 1945.     

[1]      Gestern suchte mich Frau Hagedorn auf, um nochmals über die Beschlagnahmung zu sprechen. Ich erfuhr von ihr, daß die beiden Herren von der polit. Polizei in Ribnitz bereits am Sonnabend Nachmittag dort gewesen waren u. das Haus durchsucht hatten. Dabei haben sie sechs oder acht harte Mettwürste in einen Koffer getan, der Hagedorn gehörte sowie andere Kleinigkeiten wie Nudeln u. auch 1/2 Pfund Bohnenkaffee, sowie Cigaretten u. Cigarren. Abends haben sie dann von Frau Hagedorn Abendessen verlangt u. haben drei Weizenbrote bestellt. Am Sonntag früh haben sie dann die eigentliche Haussuchung durchgeführt, wobei das Mehl u. das Rauchfleisch usw. beschlagnahmt wurde, während die anderen Sachen vom Abend vorher, darunter auch Spirituosen, verschwunden blieben. – Schon vorher hatte ich durch Rückfrage beim ehem. Schöffen Voss festgestellt, daß es mit den Schlachtscheinen seine Richtigkeit hatte u. Hagedorn rechtmäßig drei Schweine geschlachtet hatte. Mithin war die Beschlagnahmung des Rauchfleisches zu Unrecht erfolgt u. ich ließ es durch Leplow wieder ausliefern. Es ist ganz offensichtlich, daß diese beiden Kerle von der polit. Polizei in Ribnitz ganz gewöhnliche Gauner sind, die nur die Absicht der eigenen Bereicherung haben. Es ist das ein Skandal erster Güte. Ich werde sofort Dr. Hoffmann verständigen.

     Unsere Fleischversorgung ist ernsthaft gefährdet. Leplow hat stets in der Umgegend von Damgarten Fleisch gekauft. Jetzt hat der Bürgermeister von Damgarten im Verein mit dem dortigen russ. Kommandanten den Viehverkauf nach auswärts gesperrt u. da der Kommandant in Wustrow niemanden durchläßt, ist es nicht möglich, in Damgarten zu verhandeln. –

     Rührend sind einige Ahrenshooper Kinder, welche jetzt täglich ein Kasperle-Theater veranstalten, wobei sie Eintritt erheben. Den Betrag liefern sie dann an die Notgemeinschaft aus. –

     Aus Berlin ist jetzt der Schwiegersohn von der Frau Müller, die bei Saatmann-Reichert ist, mit seiner Frau im Auto hier angekommen. Er ist Holländer. Er erzählt sicher sehr übertriebene Wunderdinge von Berlin. Er ist Artist u. scheint im Speck zu sitzen. Diese Sorte von Geschäftemachern blüht jetzt überall üppig auf, es ist widerlich.

     Heute u. morgen ist nun also der geheimnisvolle Termin, von dem alle Leute reden, ohne zu wissen, was zu diesem Termin geschehen soll. – Im Rundfunk heißt es, daß die englischen u. amerikan. Soldaten jetzt in Berlin einmarschieren werden u. daß in Berlin eine große Siegesparade stattfinden soll. Die Spannung wegen Polen hält indessen unvermindert an. Gestern Abend sahen wir mindestens acht Schiffe am Horizont, die in Richtung Kiel fuhren, alles Kriegsschiffe, Kreuzer, Zerstörer u. Torpedoboote.

     3 Uhr Nachmittag.

     Herr Dr. Ziel war heute morgen in der Angelegenheit Hagedorn bei mir im Geschäftszimmer. Frau Hagedorn hat ihm nämlich in ihrem Laden die ganze Geschichte erzählt, wobei es sich nicht vermeiden ließ, daß auch andere Leute davon Kenntnis nahmen. Damit ist nun diese Sache eine öffentliche Angelegenheit geworden u. ich bin gezwungen, dazu irgendwie Stellung zu nehmen. Ich habe sogleich Herrn Dr. Hoffmann zu einer Unterredung hierher gebeten. [2] Es ist mir nicht klar, was ich tun soll. Ein Gericht u. einen Staatsanwalt gibt es nicht, der sog. kommissar. Landrat in Rostock, ein Mann namens Oldach, schickt zwar gelegentlich durch Herrn Granzow irgend welche Verfügungen, aber in der Hauptsache scheint doch der Oberbürgermeister Seitz in Rostock zu regieren. Niemand weiß aber, woher er seine Regierungsgewalt hat. Herr Dr. Ziel will wissen, daß er ein Kommunist aus München sei. Wenn das zutrifft dann wird er natürlich diese Herren von der sog. polit. Polizei in Ribnitz, die ja auch Kommunisten sind, decken. Es bleibt dann bloß unser russ. Kommandant übrig, an den ich mich wenden könnte, aber ob dabei etwas herauskommt, ist sehr fraglich. – Dieser hat übrigens heute Morgen durch Herold bei Martha um zwei Schachteln Cigaretten bitten lassen, was immerhin eigenartig ist. Als ich eben ins Amt ging, traf ich ihn vorm kleinen Hause, wo er mich so herzlich begrüßte, wie er es immer tut. Ich sagte ihm, daß ich gehört hätte, er wolle gerne Cigaretten. Ich ließ ihn unten warten u. holte eine Packung mit 10 Schachteln herunter u. gab sie ihm. Vielleicht ist er damit zufrieden, vielleicht aber sieht er darin auch eine Aufforderung, noch mehr zu verlangen, man kann das nicht wissen. –

     Vormittags war der Bauer Paetow bei mir. Er klagte, daß die Russen aus Wustrow ihm 4 Fuder Heu fortgenommen hätten. Er ist grade dabei, Heu zu machen, gestern hat er zwei Fuder eingefahren, heute wollte er das übrige einfahren u. wie er alles in Haufen gesetzt hat, kommen die Russen, u. nehmen es weg. Der alte Mann, der schon so furchtbar ausgeplündert worden ist, weinte wie ein Kind. Es war sehr erschütternd.

     Nachmittags kommt von Dillwitz aus Althagen die Nachricht, daß wir bis heute abend 9 Uhr wieder Bettlaken u. andere Gegenstände für die Wustrower Kommandantur liefern sollen. Ich lasse die Forderung übersetzen u. schicke sie dann unserem Kommandanten zur Entscheidung, – aber er wird da auch nichts weiter machen können, obwohl er immer behauptet, daß die Wustrower Kommandantur uns nichts zu sagen hätte.