Zum Inhalt springen

Seite:HansBrassTagebuch 1945-07-23 001.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

einer Woche ist das Kind gestorben, nachdem Anneliese mit dem Kinde die ganze Kampfzeit glücklich überstanden hat. Es soll eine sehr starke Explosion stattgefunden haben u. die Erschütterung soll ein Gehirnentzündung bei dem Kinde zur Folge gehabt haben. Es scheint sich also um eine sehr ähnliche Todesursache zu handeln wie bei dem kleinen Hartmut. – Es scheint, als wären die Wegscheiders wirklich nicht fähig, Nachkommenschaft zu haben. Bei Anneliese gingen bereits drei Fehlgeburten voraus, – nun war endlich ein Kind da u. es muß sterben. Ob Kurt aus dem Kriege zurückkehren wird, scheint mir sehr zweifelhaft.

Montag, 23. Juli 1945.     

     Am Sonnabend Abend kam Herr Dr. Korsch u. Frau. Er erzählte sehr schauerliche Dinge über die Kampftage in Berlin. Er war aber auch offensichtlich bestrebt, die gegenwärtige Lage in Berlin so schwarz wie möglich zu schildern, damit ich im Ernstfalle davon absehen soll, seine Frau u. die Kinder nach Berlin zu schicken. Es mag ja sein, daß die Verhältnisse in Berlin sehr schlecht sind, aber sicher ist, daß sie nicht schlechter sind als hier. Dagegen ist anzunehmen, daß die Verhältnisse in Berlin nach u. nach besser werden, denn die internat. Besatzung dort wird sicher für das Notwendigste sorgen, während die Verhältnisse hier nur noch schlechter werden können.

     Am Sonntag habe ich zum ersten Male nach der Andacht ein Kind getauft. Es war ein uneheliches Kind einer Flüchtlingin aus dem Osten. Die junge Mutter wohnt mit ihrer Mutter in Althagen. Diese erste Taufhandlung hat mich sehr bewegt. Ich habe sie so feierlich wie möglich gestaltet. Martha war Patin. So mag es in frühchristlicher Zeit hergegangen sein, wie ja überhaupt unsere Andachten stets etwas von solcher Stimmung an sich haben.

     Frl. Gretl Neumann hat sich in Ribnitz bei Verhandlungen über Lebensmittel-Lieferungen sehr bewehrt. Ich habe sie beauftragt, sich weiter darum zu bemühen u. will versuchen, ihr einen Dauer-Passierschein zu besorgen. Hagedorn will in Born versuchen, Fische zu bekommen, die wir dann nach Ribnitz liefern können, um Mehl zu erhalten.

Dienstag, 24. Juli 1945.     

     Gestern Abend kam der Kommandant aus Althagen, nachdem er sich vorher angemeldet hatte. Er brachte sich den Dolmetscher Daschewsky mit, ich hatte Dr. Hahn mit seinen Arbeitslisten beordert, denn der Kommandant hatte, sich beklagt, daß der Arbeitseinsatz nicht klappte. Er forderte für die nächsten Tage 40 Arbeitskräfte an, Männer u. Frauen, die Erdarbeiten machen sollen. Es handelt sich um Bunker oder Erdstellungen, die z. Zt. auch in Wustrow gebaut werden u. über deren Zweck kein Mensch etwas weiß. Selbst unser kleines Kosackenkommando im Hause Monheim hat 4 Leute angefordert, um solche Arbeiten zu machen. Die Arbeiten sollen mit allergrößter Beschleunigung durchgeführt werden, weil die Arbeitskräfte dann, wie der Kommandant sagt, für die Erntearbeiten frei sein sollen; aber in Wustrow soll ein Anschlag zu lesen sein, nach welchem alle Flüchtlinge u. Evakuierten den Ort innerhalb von 3 Tagen zu verlassen haben. Es wurde schon vor einigen Tagen von einer allgemeinen Evakuierung des ganzen Fischlandes gesprochen. Dr. Grantz will in Ribnitz gehört haben, wie der dortige Kommandant zum Bürgermeister darüber gesprochen habe. Ich habe dem keinen Glauben geschenkt; aber es scheint so, als sei damit eine Abschiebung der Flüchtlinge u. Evakuierten gemeint gewesen. Es heißt, daß alle Menschen das Fischland

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-07-20. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-07-23_001.jpg&oldid=- (Version vom 10.8.2024)