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Seite:HansBrassTagebuch 1945-07-26 001.jpg

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Ahrenshoop bedeuten, wir würden dann überhaupt keine Lebensmittel mehr heranbekommen u. außerdem würde es sehr erschwert sein, von hier fort zu kommen. Schießlich schrieb uns der neu in Wustrow eingesetzte Bürgermeister, Herr Brüssow, welcher der ehemalige Genosse des rühmlichen Herrn Harder ist, daß der Kommandant befohlen habe, Ahrenshoop müsse künftig all seine Milch in der Wustrower Molkerei abliefern. Es war genug des Aergers. Aus all diesen Maßnahmen u. aus dem sonstigen Verhalten der russischen Behörden geht hervor, daß man nicht das geringste Interesse an der Bevölkerung hat u. gewillt ist uns zu quälen bis aufs Blut. Ich war davon so mutlos, daß ich entschlossen war, mein Amt niederzulegen. Ich hörte dann, daß der zweite LKW. von Richter heute nach Barth fahren sollte u. ich entschloß mich, die Gelegenheit zu benutzen um vielleicht Schutz beim Landrat oder beim dortigen Kreiskommandanten zu finden. Herr Gläser, der seinen Bruder in Barth sehen wollte, sollte als Dolmetscher mitfahren u. Gretl Neumann zum Einkauf. Wir trafen uns um 6 Uhr heute früh vor dem Hause u. gingen nach Althagen, wo wir den Richter'schen Wagen antrafen, der uns um 7 Uhr bis zur Kommandantur Wustrow brachte. Dort warteten wir bis 9 Uhr, weil die Herren dort noch schliefen. Um 9 Uhr wurde der Wagen mit Kosacken besetzt u. fuhr ohne uns nach Barth. Wir durften wieder nachhause gehen. Zum Glück traf ich unterwegs den Sohn von Dr. Umnus der mit seinem Gespann Milchkannen ausfuhr u. er nahm mich mit bis zur Grenze. Herrn Gläser, der in Wustrow geblieben war, um vom Kommandanten einen Passierschein zu erhalten, wurde einfach gesagt, er sei ein alter Mann u. brauche nicht mehr zu reisen, er solle nachhause gehen u. sich hinter den Ofen setzen. Auch andere Leute die Passierscheine haben wollten, bekamen keine, weil die Formulare alle sind.

     In Wustrow traf ich auch den neuen Bürgermeister Brüssow, der mächtig überzeugt war von seinen großen Fähigkeiten, aber dennoch recht klein von Format ist. Auch Herrn Hallier traf ich, den bisherigen Bürgermeister, der nun in seiner Arbeitskleidung freilich einen noch viel dürftigeren Eindruck machte.

     In meiner Abwesenheit hat Paul eine Versammlung der Kuhhalter gehabt, um die Frage der Ablieferung zu klären, doch hat er keinen großen Erfolg gehabt. Der Eigennutz der Leute ist zu groß, sie haben kein Verständnis für die Notwendigkeiten der Gemeinschaft. Aber vor allem fehlt es an Milchkannen. Herr Wiethüchter ist nun zur Molkerei gegangen, um auch von dort her die Situation zu klären.

Donnerstag, 26. Juli 1945.     

     Der Tag gestern verlief, abgesehen vom Vormittag, ziemlich ereignislos. Gott sei Dank! Das Wetter ist heute auch wieder besser, nachdem wir einige kalte Sturmtage gehabt hatten, durch die der Garten arg mitgenommen worden ist. Viele Dahlien, die in diesem Jahre besonders kräftig gediehen waren, liegen am Boden. Den Tomaten hat der Sturm nichts geschadet, auch sie sind in diesem Jahre besonders kräftig. Ueberhaupt steht draußen alles besonders schön u. man könnte sich des Lebens freuen, wenn die Russen nicht wären.

     Spät Abends kam gestern noch der LKW. u. brachte wieder 60 Centner neue Kartoffeln. Förster Damm hatte heute die Erlaubnis, mit Familie u. Sack u. Pack bis Greifswald mit dem LKW zu fahren. Seine Tochter hat ihm schon vor Wochen Nachricht gegeben, daß sie in einer Försterei in der Nähe von Pasewalk wäre, wo ihr Mann Förster war. Dieser ist aber gefallen. Damm will nun dorthin u. er hatte

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Hans Brass: TBHB 1945-07-25. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-07-26_001.jpg&oldid=- (Version vom 10.8.2024)