Zum Inhalt springen

Seite:HansBrassTagebuch 1945-08-28 001.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

sehr, daß er mich bemühen mußte. Er war schwer angetrunken u. nahm von mir zärtlichen Abschied.

     Nachm. 3 Uhr. – Frau Daubenspeck war gestern in Wustrow. Sie erzählt, daß der Wustrower Kommandant beim Abzug die ganze Kommandantur ausgeräumt hätte, der neue Kommandant hätte nicht einen Stuhl u. nicht einen Bleistift. Frau D. will mit ihm gesprochen haben. Er habe gesagt, daß die Kosacken in Rußland selbst einen sehr schlechten Ruf hätten u. daß viele von ihnen aus Gefängnissen kämen. Das ist sehr glaubwürdig. So hat der Kommandant sämtliche Butter aus der Molkerei mitgenommen, sodaß kein Pfund Butter da ist. Uebrigens soll dieser neue Kommandant garkein Kommandant sein, der richtige käme garnicht hierher, angeblich: „weil es sich nicht lohnte“. Es erhält sich hartnäckig das Gerücht, daß diese neue Truppe nur etwa 10 Tage hierbliebe u. daß dann Engländer kämen. Jedenfalls ist das bisherige strenge Passierscheinwesen bereits gelockert worden, wenngleich die Sperre bei Körkwitz noch besteht. Frau Daubenspeck erzählt, daß die Russen in Wustrow sehr sauber u. adrett aussehen sollen wie deutsche Soldaten. Frau Brandt will wissen, daß der Kommandant, der hier in der Batterie liegt u. der doch wohl identisch sein wird mit dem jungen Leutnant, den ich am Sonnabend kennen lernte, in der Batterie alle Embleme mit Hammer u. Sichel überstreichen u. unkenntlich machen läßt. – Daß der Wustrower unsere beiden Lastkraftwagen mitsamt den Fahrern u. deren Familien mitgenommen hat, scheint sich zu bestätigen, ebenso daß er den Betriebsstoff des Dampfers mitgenommen hat. Es ist furchtbar, wie diese Bande uns ausgeräubert hat; aber wenn es nun vorbei ist, dann will ich dennoch nicht klagen, denn wir haben sonst vom Kriege ja nicht viel gespürt. Andere Gegenden sind weit schlimmer mitgenommen. Ich selbst habe bis jetzt noch keinen von den Russen gesehen, entweder sind es sehr wenige oder sie bleiben im Batteriegelände. Martha sagt, daß einer bei ihr in der Schneiderstube war, er will sich eine neue Hose machen lassen. Er soll angeblich der Kommandant der Batterie sein, also der, den ich am Sonnabend kennen lernte. Er soll sehr höflich gewesen sein u. sehr jung.

Dienstag, 28. Aug. 1945.     

     Gestern Abend Verfügung aus Barth, aus der zu ersehen ist, daß wir neu mit Flüchtlingen belegt werden sollen. Es wird sich um die Flüchtlinge handeln, die aus Polen ausgewiesen werden. Wir sprachen mit Küntzels darüber u. kamen zu der Ansicht, daß diesmal eine Belegung mit Flüchtlingen wahrscheinlich auf sehr viele Jahre erfolgen wird, denn wo sollten die Menschen sonst hin? Mithin ist es nun wohl ratsam, daß Küntzels sich eine dauernde Wohnung suchen u. wir haben das Haus Kroog in Aussicht genommen, das mühelos frei gemacht werden kann. Ich gewinne dann endlich wieder meine eigenen Zimmer zurück u. habe wieder die Möglichkeit zur Arbeit im Hause.

Mittwoch, 29. Aug. 1945.     

     Gestern mit Frau Futterlieb verhandelt, die im Hause Kroog mit 2 Kindern allein wohnt. Sie sah alles ein u. war bereit, das Haus zu räumen. Später mischte sich ihre Kusine Frau Daubenspeck ein u. entfachte eine große Hetze gegen mich, sodaß alles wieder in Frage gestellt ist. Habe heute an Dr. Ziel in dieser Sache eine schriftl. Darstellung

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-08-27. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-08-28_001.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2024)