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TBHB 1945-08-27

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-08-27
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Montag, 27. Aug. 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 27. August 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-08-27 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 27. August 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Montag, 27. Aug. 1945.     

[1]      Sonnabend Abend kam der Althäger Kommandant geritten mit dem neuen Kommandanten, einem Leutnant, der bemittleidenswert unbedeutend aussieht. Anscheinend ist die neue Truppe Marine-Infanterie. In der Nacht rückten die Kosaken ab. Sie nahmen wiederum unsere Wagen u. Pferde mit u. schleppten alles ab, was irgendwie beweglich war. Aus der Batterie haben sie Türklinken u. Schlösser u. Fensterrahmen mitgenommen u. von dem Pferdestall, den wir mit unseren Brettern gebaut haben haben sie ebenfalls alle Wände u. Bretter mitgenommen. Der Althäger Kommandant hat die ganze Zimmereinrichtung des Zimmers in dem er gewohnt hat, mitgenommen. – In Wustrow ist es noch viel schlimmer. Dort hat der Kommandant beide Lastkraftwagen mitgenommen, sowie das Rohöl des Dampfers, sodaß wir nun überhaupt keine Verbindung, mehr mit dem Inlande haben u. nicht wissen, wie wir künftig unsere Lebensmittel heranbringen werden. Ich habe heute morgen zunächst einmal Frl. Neumann nach Wustrow geschickt, damit sie beim dortigen Kommandanten vorfühlen soll. Ich werde dann selbst hinfahren u. mein Glück versuchen. Der Bürgermstr. Brüssow in Wustrow, der ja vom bisherigen Kommandanten gestützt wurde, wird sich nun ja auch unsicher fühlen, man spricht bereits von einem abermaligen Wechsel.

     Das Kosackenkommando im Hause Monheim scheint indessen hier zu bleiben. – Gestern habe ich den ganzen Tag über keinen russ. Soldaten hier auf der Straße gesehen, es scheint, als hielte sich die neue Truppe mehr in Althagen; es sind wohl auch viel weniger Leute u. vor allem haben sie keine Pferde. Es soll viele unter ihnen geben, die gut deutsch sprechen.

     Heute morgen besuchten mich die beiden Schwestern Gräfinnen zu Dohna. Sie sind aus Altenburg hierher gekommen, um nach ihrem Hause zu sehen. Gestern Nachmittag kam völlig überraschend Erika Wollesen aus Berlin zurück, da sie dort keine Lebensmittelkarten bekam.

     Gestern Nachmittag veranstaltete ich wieder mal eine Volksversammlung im Balt. Hof. Es war die zweite seit meiner Amtszeit. Ich sprach wohl 1 1/2 Stunden sehr umfassend über alles, was die Leute interessiert. So weit ich gehört habe, hat meine Rede sehr gefallen u. die Leute haben neuen Mut bekommen. Am Sonnabend Nachmittag hatte ich eine Vorstands-Sitzg. einberufen, die ebenfalls sehr harmonisch verlief. Dieser Gemeindevorstand ist sehr gutwillig u. ohne jede Opposition.

     Am Sonntag früh bald nach 5 Uhr, es war noch finstere Nacht, kam der Kosacken-Unteroffizier von der Batterie u. verlangte Wagen u. Pferde für den Abtransport. Ich mußte aufstehen u. Handschak, den Kutscher von Brandt, u. Spangenberg wecken. Borchers, der Hilfspolizist, ist nämlich wieder krank, sodaß er dieses Wecken nicht machen konnte. Der Unteroffizier entschuldigte sich [2] sehr, daß er mich bemühen mußte. Er war schwer angetrunken u. nahm von mir zärtlichen Abschied.

     Nachm. 3 Uhr. – Frau Daubenspeck war gestern in Wustrow. Sie erzählt, daß der Wustrower Kommandant beim Abzug die ganze Kommandantur ausgeräumt hätte, der neue Kommandant hätte nicht einen Stuhl u. nicht einen Bleistift. Frau D. will mit ihm gesprochen haben. Er habe gesagt, daß die Kosacken in Rußland selbst einen sehr schlechten Ruf hätten u. daß viele von ihnen aus Gefängnissen kämen. Das ist sehr glaubwürdig. So hat der Kommandant sämtliche Butter aus der Molkerei mitgenommen, sodaß kein Pfund Butter da ist. Uebrigens soll dieser neue Kommandant garkein Kommandant sein, der richtige käme garnicht hierher, angeblich: „weil es sich nicht lohnte“. Es erhält sich hartnäckig das Gerücht, daß diese neue Truppe nur etwa 10 Tage hierbliebe u. daß dann Engländer kämen. Jedenfalls ist das bisherige strenge Passierscheinwesen bereits gelockert worden, wenngleich die Sperre bei Körkwitz noch besteht. Frau Daubenspeck erzählt, daß die Russen in Wustrow sehr sauber u. adrett aussehen sollen wie deutsche Soldaten. Frau Brandt will wissen, daß der Kommandant, der hier in der Batterie liegt u. der doch wohl identisch sein wird mit dem jungen Leutnant, den ich am Sonnabend kennen lernte, in der Batterie alle Embleme mit Hammer u. Sichel überstreichen u. unkenntlich machen läßt. – Daß der Wustrower unsere beiden Lastkraftwagen mitsamt den Fahrern u. deren Familien mitgenommen hat, scheint sich zu bestätigen, ebenso daß er den Betriebsstoff des Dampfers mitgenommen hat. Es ist furchtbar, wie diese Bande uns ausgeräubert hat; aber wenn es nun vorbei ist, dann will ich dennoch nicht klagen, denn wir haben sonst vom Kriege ja nicht viel gespürt. Andere Gegenden sind weit schlimmer mitgenommen. Ich selbst habe bis jetzt noch keinen von den Russen gesehen, entweder sind es sehr wenige oder sie bleiben im Batteriegelände. Martha sagt, daß einer bei ihr in der Schneiderstube war, er will sich eine neue Hose machen lassen. Er soll angeblich der Kommandant der Batterie sein, also der, den ich am Sonnabend kennen lernte. Er soll sehr höflich gewesen sein u. sehr jung.