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Seite:HansBrassTagebuch 1945-08-31 001.jpg

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gesandt mit der Bitte, besänftigend zu wirken. Ich hoffe, daß dieser Mann, der sich sonst so gern zum Organ der „kochenden Volksseele“ macht, auch diesmal diese Funktion übernehmen wird, wenn es einmal gilt mich in Schutz zu nehmen, zumal er ja als Leiter des höheren Schulkurse einen gewissen Einfluß auf Frau Futterlieb hat, die als Lehrerin mitwirkt. –

     Gestern Abend um 10 Uhr erschien der Sergeant der neuen Besatzung in der Batterie in Begleitung mit einem Mann mit Gewehr u. verlangte in sehr grober Weise das Radio zu sehen. Ich zeigte ihm den Apparat u. er fragte, woher ich ihn hätte. Ich sagte, es sei der meinige u. als Bürgermeister hätte ich Erlaubnis, Radio zu hören. Nach einigem Hin u. Her, (der Mann sprach ganz gut deutsch) merkte ich, daß er den Lautsprecher auf der Straße meinte. Ich führte ihn rüber in die Bunte Stube u. zeigte ihm den Apparat den er sofort abmontierte. Ich sagte ihm, daß die Anlage ja grade eben erst auf Anordnung der russ. Behörde gemacht worden sei. Er sagte, daß er auch gegen die Anlage nichts einzuwenden hätte, daß aber der Apparat gestohlen sei. Es stellte sich dann heraus, daß Frau Kurts, von der dieser Apparat stammte, sich hinter die neuen Leute gesteckt hat. Frau Kurts hat anfangs mit ihren freundschaftl. Beziehungen zu dem verflossenen Kommandanten geprahlt. Diese Beziehungen sind dann irgendwie gestört worden. Als wir die Lautsprecher-Anlage einrichten wollten, brauchten wir einen Apparat, da die Russen uns kurz vorher die letzten Apparate abgenommen hatten. Der Kommandant wies uns daher diesen Apparat der Frau Kurts an. – Nachdem der Sergeant den Apparat abgenommen hatte, wurde er freundlicher, sogar sehr freundlich. Er sagte selbst, daß die Kosacken gestohlen hätten u. daß sie dergleichen nicht täten. Er hatte offenbar auf die Kosacken eine große Wut.

Freitag, 31. Aug. 1945.     

     Gestern Herr Dr. Ziel. Er hat meiner Erwartung nur zum kleinsten Teil entsprochen, indem er mir mitteilte, daß Frau Futterlieb das Haus räumen u. nach Althagen ziehen wolle. Ob dieser Entschluß auf seine Einwirkung hin gefaßt worden ist, oder von Frau F. allein, steht dahin. Auch widersprach er nicht, als ich sagte, es sähe nach Feindseligkeit aus, daß Frau F. nach Althagen ziehen wolle, vielmehr verbarg er nicht, daß er auf Frau F's. Seite stünde. Die Unterredung mit ihm war sehr unerfreulich. Er gab zu erkennen, daß er darüber beleidigt ist, daß ich seine Tätigkeit für die höheren Schulkurse in meinem Vortrage am Sonntag nicht erwähnt hätte. Ich habe das in der Tat vergessen. In der Sache selbst zeigte er nicht die geringste Einsicht u. keine Bereitschaft, die Sache zu entspannen u. ihr einen gütlichen Ausgang zu geben. Grade das aber hatte ich erwartet. So schieden wir ziemlich frostig. Am Nachmittag bzw. Abend begegnete ich ihm auf der Straße er ging drüben auf der anderen Seite u. tat so, als ob er mich nicht sähe. – Ich weiß nun, wo ich mit ihm dran bin. Es ist das Schlimmste, wenn man solche Leute in ihrer Eitelkeit verletzt.

     Heute früh war Dr. Hahn in Wustrow zur Besprechung mit dem Kommandanten. Es ergibt sich, daß der eigentliche neue Kommandant in Müritz-Graal sitzt, in Wustrow

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Hans Brass: TBHB 1945-08-29. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-08-31_001.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2024)