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Seite:HansBrassTagebuch 1945-10-10 001.jpg

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daß Paul wieder da sei, sich aber in einer furchtbaren Verfassung befinde. Er sei glatt geschoren u. er sei geschlagen worden. Aus den Vernehmungen scheint hervorzugehen, daß die Denunziantin jene Frau Futterlieb ist, die im Haus Kroog gewohnt hat, – u. dann wahrscheinlich auch Frau Daubenspeck, – u. Herr Dr. Ziel ist ja der Wortführer dieser Damen gewesen. – Grete war in einem furchtbar exaltierten Zustande. –

Mittwoch, 10. Okt. 1945.     

     Ich ging gestern Nachmittag zuerst zu Frau Deutschmann, deren Wohnung in einem tollen Zustand war. Alles war durchwühlt u. lag durcheinander. Frau D. sagte mir, daß man ihr, ihrem Mann u. dem Sohn befohlen hätte, sich im Obergeschoß in eine Stube zu begeben. Vor die Tür wurde der Kraftfahrer des Wagens zur Wache gestellt. Sodann wurde die ganze Wohnung unten von den beiden GPU=Offizieren u. Herrn Frey, sowie dem russ. Mädchen, das sie bei sich hatten, durchwühlt u. alles gestohlen, was irgendwie für die Leute Wert hatte, hauptsächlich Damengarderobe u. Damenwäsche. Dann wurde Deutschmann aufgefordert, sich seinen Mantel anzuziehen u. 2x Wäsche mitzunehmen u. die Kerls fuhren mit ihm los.

     Anschießend ging ich zu Paul, den ich in einem schon etwas besseren Zustande antraf. Er hatte sich rasiert u. umgekleidet u. gewaschen, er sah aber dennoch sehr elend aus. Er erzählte, daß man ihn zuerst in einen Keller gebracht habe, in dem kein einziges Möbel war kein Stuhl u. keine Pritsche. Dort mußte er zwei Nächte zubringen. Er wurde dann in eine oberirdische Zelle gebracht, wo er wenigstens eine Holzpritsche hatte, aber keine Matratze, keine Decke kein Stroh. Später hat er dann eine dünne Seegras-Matratze u. eine Decke bekommen. Er ist nur dann + wann verhört worden, u. zwar von demselben, wiederlichen Kerl, der ihn verhaftet hatte. Er wurde beschuldigt, aktiver Faschist gewesen zu sein. Als der Kerl dann endlich begriff, daß er mit dieser Anklage nicht weiter kam, da er keine Beweise dafür finden konnte, verlangte er von Paul, daß er ihm dann wenigstens Faschisten nennen sollte. Als Paul sagte, daß er keine Faschisten in Ahrenshoop kenne, stand der Kerl auf u. verabfolgte ihm mehrere wuchtige Schläge ins Gesicht. Paul wurde wieder in seine Zelle gebracht, wobei der Kerl sagte, er würde ihn weiter verhören u. wenn Paul ihm dann keine Faschisten nennen würde, würde er ihn wieder schlagen. – Endlich ist Paul dann entlassen worden nachdem ein Unteroffizier ihm noch meine Pelzweste, die er trug, gestohlen hat.

     Ich habe heute sofort einen knappen Bericht darüber sowohl an den Landrat, wie an den Landespräsidenten geschrieben, obgleich Paul mich bat, es nicht zu tun, weil er Repressalien fürchtet. Desgleichen habe ich einen Bericht über die Verhaftung Deutschmanns an den Landrat abgesandt. – Ebenso sandte ich einen Bericht über die Erschießung des Herbert Saatmann an den Landrat. Ferner einen Bericht über neuerliche Einbrüche beim Bauer Paetow, von denen dieser mir heute morgen Mitteilung gemacht hat. Es handelt sich um Kartoffeln u. Schrotmehl. Wenn dergleichen jetzt schon gestohlen wird, was soll man dann erst im Winter erwarten! Auch unseren Birnbaum, an dem ohnedies nicht viel dran war, hat man in der Nacht geplündert.

     Heute Mittag meldete sich Max Stama. Er ist vor Ende des Krieges übergelaufen u. hat an der Widerstandsbewegung in Oesterreich teilgenommen. Jetzt ist er im Auftrage des Repatriierungs=Komitees dauernd zwischen Wien u. Berlin unterwegs, um Oesterreicher aus Deutschland nach Oesterreich zu bringen u. Deutsche aus Oesterreich nach Deutschland. Er war entsetzt über die

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-10-09. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-10-10_001.jpg&oldid=- (Version vom 22.8.2024)