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Seite:HansBrassTagebuch 1945-10-27 001.jpg

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Zustände bei uns. Im Süden, meinte er, seien die Russen auch nirgends beliebt, aber so toll wie bei uns hier benehmen sie sich dort nicht.

     Martha war heute nicht wohl u. blieb vormittags liegen, nachmittags war sie auf, doch sieht sie schlecht aus.

     Im Rundfunk u. in den Zeitungen stänkern sich die Russen mit den Anglo-Amerikanern wegen der gescheiterten Konferenz herum. Die kommunistischen Zeitungen, die einzigen, die es in der russ. Zone gibt, vertreten natürlich den russischen Standpunkt, um so interessanter ist es, im englischen Rundfunk zu hören, was die Engländer sagen. Wer sachlich im Recht ist, kann ich natürlich nicht sagen, aber sicher ist, daß die Engländer u. Amerikaner die Trümpfe in der Hand haben u. offenbar gewillt sind, sie rücksichtslos auszuspielen, denn sie geben sich nicht die geringste Mühe, einen Ausgleich zu suchen oder die Differenzen auch nur zu verschleiern.

     Heute wurde gesagt, daß Schweden sich entschlossen habe, uns wirtschaftlich zu helfen. Ein Lichtblick. Man hat den Eindruck, daß dies nicht ohne die Einwilligung Englands geschieht.

     Leider ist heute bald nach 5 Uhr nachm. der Strom wieder ausgeschaltet worden.

Sonnabend, den 27. Oktober 1945.     

     Seit der letzten Notiz am 10. Okt. ist allerhand geschehen, ich will versuchen, die Ereignisse chronologisch zu ordnen. Da fällt mir gleich der Anfang schwer. Ich weiß nicht mehr genau, ob es am Donnerstag den 11. Okt. Abends oder am Freitag den 12. Okt. Abends war, daß ich mit Martha im dunklen Wohnzimmer saß u. darauf wartete, daß der Strom eingeschaltet wurde, – was immer um 9 Uhr geschieht. Ich wollte gern Nachrichten hören. Gegen 1/2 9 Uhr setzten Schmerzen in der rechten Hüfte ein in der Gegend der letzten Rippe, die sich rasch ausdehnten über den Leib, sodaß ich zu Bett gehen mußte. Es trat dann starkes Erbrechen ein u. die Schmerzen wurden sehr groß, sodaß Martha zu Borchers lief u. ihn zu Prof. Reinmöller schickte. Dieser kam auch bald, doch konnte er eine Diagnose nicht stellen, es fehlt ihm als Kieferchirurg ja jeder Erfahrung. Er gab mir eine leichte Morphiumspritze, sodaß die Schmerzen wenigstens bald nachließen. Es dauerte aber nicht allzu lange u. die Schmerzen begannen neu u. verstärkt, sodaß Borchers noch einmal geschickt werden mußte. Reinmöller kam sofort, obwohl es mittlerweile spät geworden war. Er gab mir eine zweite, stärkere Spritze u. ordnete meine sofortige Ueberführung ins Krankenhaus nach Wustrow an. Auch der gute Paschke wurde alarmiert, er fuhr mit dem Rad nach Wustrow, mich anzumelden. Dr. Lasch u. Dr. Meyer waren dort so wie so bei der Arbeit, – ich glaube wegen einer Entbindung. Ich wurde auf Brandt's Ackerwagen geladen, in den sie viel Stroh u. Betten gelegt hatten, der Kutscher Handschak fuhr. Martha fuhr auch mit, außerdem Borchers. Paschke erwartete mich in Wustrow. Zum Glück regnete es nicht u. dank der Morphiumspritze hatte ich keine Schmerzen mehr.

     In Wustrow wurde ich erwartet. Dr. Meyer + Dr. Lasch hatten alles in fürsorglicher Weise vorbereitet. Dr. Lasch untersuchte mich, konnte aber nun wegen des Morphiums keine einwandfreie Diagnose stellen. Es schien, als ob der Herd der Schmerzen eher vom unteren Rande der Rippen her käme, während in der Blinddarmgegend nichts festzustellen war. Es sah eher so aus, als handele es sich um Nierensteine. Dr. L. wollte deshalb nicht operieren u. da das Morphium noch wirkte

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Hans Brass: TBHB 1945-10-10. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-10-27_001.jpg&oldid=- (Version vom 22.8.2024)