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Seite:HansBrassTagebuch 1945-10-28 001.jpg

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     Der brave Hans Krull hat nun während meiner Abwesenheit einen heftigen Schreck bekommen, denn er hat mich ja vertreten müssen, – u. da ereignete sich nun grade die Sache mit dem Verschwinden Partikels. Er hat an den Landrat geschrieben, daß er mich nicht länger verteten könne u. hat Herrn Hugo Schröter als seinen Vertreter vorgeschlagen. Darauf hat der Landrat, der bisher mein eigenes Rücktrittsgesuch, das ich ja schon an 4. Oktober eingereicht habe, immer noch nicht beantwortet hat, jemanden von der Kreispolizei hergeschickt, der Herrn Schröter nach Rostock bestellt hat. Seitdem vertritt nun Herr Sch. Herrn Krull, der nun aber große Angst bekommen hat, daß Herr Sch. schließlich auch mich vertreten, d.h. mein Nachfolger werden könnte, denn dieser Herr Sch. ist nicht grade ein großes Licht. Krull hat an den Landrat geschrieben, daß Herr Sch. nur ihn, Krull, vertreten soll, nicht etwa mich, da ich vielleicht doch wieder bereit sein würde, die Geschäfte zu übernehmen, wenn ich wieder gesund sein werde. Diesen Brief sandte er mir aber vorher ins Krankenhaus zur Begutachtung, sodaß ich in der Lage war, seine Absendung zu verhindern. So sitzt nun also Herr Sch. zunächst als stellvertr. Bürgermeister im Amt u. ich möchte ihn gern dort sitzen lassen. Er wird sich schon einarbeiten. Ich will die Geschäfte auf keinen Fall weiterführen, denn mir genügt schon, was ich seit gestern Abend bis heute Mittag alles gesehen habe. Der Russen-Spitzel Herold mit seinem Anhang, Frau Voigt, ist inzwischen wieder eingetroffen, nachdem er einige Wochen in Swinemünde gewesen war, u. nun will er überhaupt ganz hierher ziehen. Lehnen wir ihn ab, dann wird er sich an den Landrat u. die KPD. wenden u. damit wird er sicher Erfolg haben, – u. er wird sich dann rächen.

     Gestern Abend kamen Paul + Grete, um mich zu begrüßen. Auch Paul hat sich noch nicht erholt von seiner Verhaftung. Deutschmann ist ebenfalls noch nicht zurück. Frau Daubenspeck, die sich ja so gern in alles mischt, hat auf ihrer Rückreise aus Schwerin die Schulrat in Rostock aufgesucht, bzw. aufsuchen wollen, um ihn für Deutschmann zu interessieren, doch mußte sie feststellen, daß auch dieser inzwischen abgesetzt worden ist, angeblich, weil er Lehrerinnen angestellt hat, die früher der NS=Frauenschaft angehört haben. In Wustrow ist die Schule von Frl. Fabrizius ebenfalls geschlossen worden, weil Frl. F. früher Mitglied der Frauenschaft gewesen ist. So wird überall jeder Neuaufbau unmöglich gemacht. Frl. Lenhard, die Wustrower Lehrerin, fungierte als Nachtschwester im Krankenhause, als ich dort eingeliefert wurde, – sie wurde dann aber wieder als Lehrerin eingesetzt. –

Christkönigsfest, 28. Okt. 1945.     

     Heute Morgen eine bescheidene Andacht. Die getreuen Katholiken u. Carmen Grantz waren da u. drückten mir sehr rührend herzlich ihre Freude aus über meine Genesung. Die alte Frau Polyschenski küßte mir wie immer die Hand.

     Gestern Abend waren noch Gretl Neumann + Herr Bachmann da. Sein Gut Neuhaus ist auch aufgeteilt worden, aber die Hälfte der sog. Siedler sind schon wieder abgehauen. Diese sog. Bodenreform wird sich zu einer noch größeren Katastrophe auswirken wie Hitler u. der verlorene Krieg, – die Ernte für das nächste Jahr wird jetzt schon ruiniert. –

     Heute Nachmittag Grete u. Paul für einen kurzen Augenblick. Martha war zu Herrn Glaeser zum russ. Unterricht gegangen, – ich hoffe, daß sie das bald wieder aufgibt. Um 1/2 7 Uhr wollen die Katholiken zum Rosenkranz herkommen. Habe heute Briefschulden erledigt, besonders an Rektor Dutemeyer in Müritz, von dem ich schon vor 4 Wochen eine Karte bekam. Es strengt aber alles sehr an. –

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-10-27. , 1945, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-10-28_001.jpg&oldid=- (Version vom 23.8.2024)