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Seite:HansBrassTagebuch 1945-11-18 001.jpg

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auf Stroh unterbringen kann, jedoch unter der Bedingung, das Ribnitz mir das Stroh, Kartoffeln u. Brot liefert. Auch das ist kaum zu verantworten, denn was wollen diese Menschen hier anders, als sterben? – Schließlich ergab sich, daß der Herr einsah, daß die Verbindung hierher tatsächlich äußerst schwierig ist u. der Landweg dafür garnicht in Frage kommt, der Transport hierher könnte nur mit dem Dampfer geschehen, u. dieser ist kaputt. Also wird aus der ganzen Sache zunächst hoffentlich nichts werden. Aber ob ja oder nein, es wurde mir deutlich, daß wir alle einer Katastrophe entgegentreiben, die alles Vorstellbare übersteigen wird.

     Die andere Sache mit meiner Nachfolge hat sich nun leider doch wieder zerschlagen. Paul kam gestern Abend noch zu mir u. sagte mir, er könne auf meine Vorschläge nicht eingehen. Als er dann diese Geschichte mit den Flüchtlingen hörte, war seine Ablehnung ums so entschiedener. Es kam dann noch Frau Schuster dazu u. später noch Herr Deutschmann, der ebenfalls dringend abriet. – Heute morgen, kurz ehe unsere neue Beratung beginnen sollte, kam der Sergeant von Monheim mit einem Soldaten u. verlangte wieder Pferde, um ein Wildschwein zu holen, das sie im Darss geschossen hatten, außerdem wollte er wieder 2 Centner Kartoffeln haben. Ich erklärte ihm, daß mir streng verboten sei, etwas zu geben u. es kam natürlich zu einem großen Krach, zu dem Paul eben noch grade zurecht kam. Ich hatte nun wirklich keinen Mut mehr, ihm weiter zu zureden, ich könnte es nicht verantworten. Die Russen zogen wütend ab, aber ich bin darauf gefaßt, daß nun irgendetwas geschehen wird.

     Es begann dann unsere Sitzung, zuerst mit Willy Meyer u. Bernh. Saatmann allein, später nahm Herr Schröter daran teil. Es gelang mir nun wenigstems. Herrn Sch. zu bewegen, die Geschäfte als Vertreter des stellvertr. Bürgermeisters vertretungsweise weiter zu führen, obgleich dieser Herr, wie sich gezeigt hat, dafür garkeine Fähigkeiten besitzt. Ich habe ihm gesagt, er solle sich in mein Amtszimmer setzen, damit er dort möglichst wenig Unsinn macht, während Frau Schuster die eigentlichen Geschäfte führt, gemeinsam mit Herrn Degner. Paul hat sich bereit erklärt, die Briefe u. Verordnungen bei sich zuhause zu bearbeiten, sodaß Frau Schuster sie nur zu tippen braucht. In diesem Sinne haben wir den Antrag beim Landrat gestellt, daß vorläufig kein neuer Bürgermeister eingesetzt werden soll u. Herr Schröter die Geschäfte vertretungsweise weiterführen soll. Hoffentlich geht er darauf ein. Wir erwarten in diesen Tagen Herrn v. Viereck, den Mann der Mary v. Paepke, dessen Gut ja auch der Bodenreform zum Opfer gefallen ist. Das Ehepaar will zunächst hier in ihrem Hause wohnen. Möglicherweise ist Herr v. V. ein geeigneter Bürgermeister.

Sonntag, 18. November 1945.     

     Heute morgen erschien wieder ein mir bislang unbekannt gebliebener Offizier mit einem ebenso unbekannten Unteroffizier aus dem Monheim'schen Hause. Er verlangte sofort ein Fahrrad, um damit nach Prerow zu fahren, er würde es Nachmittags zurückbringen. Ich erklärte ihm wiederum, daß ich kein Rad geben könnte, Ribnitz hätte es mir streng verboten. Der Offizier war ganz nett, er machte einen besseren Eindruck als die sonst unter diesem Namen herumlaufende Gesellschaft. Ich hätte ihm gern ein Rad verschafft, aber erstens erklären alle, deren Räder im Gemeindeamt vorschriftsmäßig registriert sind, daß ihre Räder kaputt wären, u. zweitens würde ich sofort morgen eine Beschwerde des betr. Besitzers am Halse haben, wenn ich dem Offizier

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Hans Brass: TBHB 1945-11-17. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-11-18_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.8.2024)