Zum Inhalt springen

TBHB 1945-11-17

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: TBHB 1945-11-17
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1945
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel: Sonnabend, 17. Nov. 1945.
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 17. November 1945
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
unvollständig
Dieser Text ist noch nicht vollständig. Hilf mit, ihn aus der angegebenen Quelle zu vervollständigen! Allgemeine Hinweise dazu findest du in der Einführung.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


Einführung

[Bearbeiten]

Der Artikel TBHB 1945-11-17 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 17. November 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[Bearbeiten]
[1]
Sonnabend, 17. Nov. 1945.     

[1]      Endlich konnte wieder einmal ein Schwein geschlachtet werden, seit vielen Wochen oder gar mehreren Monaten ein Schwein! – u. dieses geschlachtete Schwein haben die Russen bei Leplow gestohlen. –

     Gestern Nachmittag erschien mit Frau Schuster ein junger Mann aus Ribnitz, der mir eröffnete, daß Ahrenshoop sofort 500 Ostflüchtlinge aufnehmen müßte. Ich sagte, daß das schlechthin unmöglich wäre. Er erzählte mir daraufhin von dem neuerlichen Flüchtlingselend. In Ribnitz kämen Züge über Züge mit Flüchtlingen an in einem grauenhaft elenden Zustande u. man müsse sie eben unterbringen, egal wie auf Stroh in Sälen u. einzel-Häusern. Ich wies ihm nach, daß wir ja schon etwa das Doppelte unserer Einwohnerzahl an Flüchtlingen beherbergen u. daß die leeren Häuser hier ohne Oefen u. ohne Fensterscheiben wären. Außerdem haben wir überhaupt keine Ernährung, weder Kartoffeln noch Brot. Der Herr erwiderte, daß das in allen anderen Gemeinde ebenso wäre u. daß eben den Flüchtlingen geholfen werden müßte mit allen Mitteln. Er schilderte mir das Elend dieser Menschen, wie sie jetzt dauernd in Ribnitz einträfen u. das wahrhaftig grauenhaft sein muß. Die Leute sind voll Läuse, sie haben nichts, als das, was sie auf dem Leibe tragen, sie sind verhungert, krank u. elend. Ich entgegnete, daß ich um so mehr verpflichtet sei ihre Aufnahme abzulehnen. Ich sagte, es sei leichter, einfach ja zu sagen, die 500 Menschen herkommen u. sie dann hier zugrunde gehen zu lassen. Ich sagte, daß ich doch die Verantwortung dafür übernehmen müßte, u. das könnte ich nicht, da das Dorf schon selbst nicht genug zu essen u. keine Feuerung hat. Soll ich nun das vorhandene Elend noch vergrößern u. dazu Seuchen einschleppen lassen, bloß weil die sog. Landesregierung selbst nichts tut u. die Last auf die Landgemeinden abschieben will? Ich sagte ihm, daß wir doch kein Bauerndorf seien, daß wir ein Badeort sind ohne Landwirtschaft u. überdies ausgeplündert u. ausgesogen von den Kosaken, daß die Leute hier längst kein Geld mehr haben, weil sie keine Verdienstmöglichkeit besitzen usw. Nun, wir einigten uns schließlich auf 150 Flüchtlinge, von denen ich etwa 100 im Kinderheim u. 50 im Saal des Balt. Hof [2] auf Stroh unterbringen kann, jedoch unter der Bedingung, das Ribnitz mir das Stroh, Kartoffeln u. Brot liefert. Auch das ist kaum zu verantworten, denn was wollen diese Menschen hier anders, als sterben? – Schließlich ergab sich, daß der Herr einsah, daß die Verbindung hierher tatsächlich äußerst schwierig ist u. der Landweg dafür garnicht in Frage kommt, der Transport hierher könnte nur mit dem Dampfer geschehen, u. dieser ist kaputt. Also wird aus der ganzen Sache zunächst hoffentlich nichts werden. Aber ob ja oder nein, es wurde mir deutlich, daß wir alle einer Katastrophe entgegentreiben, die alles Vorstellbare übersteigen wird.

     Die andere Sache mit meiner Nachfolge hat sich nun leider doch wieder zerschlagen. Paul kam gestern Abend noch zu mir u. sagte mir, er könne auf meine Vorschläge nicht eingehen. Als er dann diese Geschichte mit den Flüchtlingen hörte, war seine Ablehnung ums so entschiedener. Es kam dann noch Frau Schuster dazu u. später noch Herr Deutschmann, der ebenfalls dringend abriet. – Heute morgen, kurz ehe unsere neue Beratung beginnen sollte, kam der Sergeant von Monheim mit einem Soldaten u. verlangte wieder Pferde, um ein Wildschwein zu holen, das sie im Darss geschossen hatten, außerdem wollte er wieder 2 Centner Kartoffeln haben. Ich erklärte ihm, daß mir streng verboten sei, etwas zu geben u. es kam natürlich zu einem großen Krach, zu dem Paul eben noch grade zurecht kam. Ich hatte nun wirklich keinen Mut mehr, ihm weiter zu zureden, ich könnte es nicht verantworten. Die Russen zogen wütend ab, aber ich bin darauf gefaßt, daß nun irgendetwas geschehen wird.

     Es begann dann unsere Sitzung, zuerst mit Willy Meyer u. Bernh. Saatmann allein, später nahm Herr Schröter daran teil. Es gelang mir nun wenigstems. Herrn Sch. zu bewegen, die Geschäfte als Vertreter des stellvertr. Bürgermeisters vertretungsweise weiter zu führen, obgleich dieser Herr, wie sich gezeigt hat, dafür garkeine Fähigkeiten besitzt. Ich habe ihm gesagt, er solle sich in mein Amtszimmer setzen, damit er dort möglichst wenig Unsinn macht, während Frau Schuster die eigentlichen Geschäfte führt, gemeinsam mit Herrn Degner. Paul hat sich bereit erklärt, die Briefe u. Verordnungen bei sich zuhause zu bearbeiten, sodaß Frau Schuster sie nur zu tippen braucht. In diesem Sinne haben wir den Antrag beim Landrat gestellt, daß vorläufig kein neuer Bürgermeister eingesetzt werden soll u. Herr Schröter die Geschäfte vertretungsweise weiterführen soll. Hoffentlich geht er darauf ein. Wir erwarten in diesen Tagen Herrn v. Viereck, den Mann der Mary v. Paepke, dessen Gut ja auch der Bodenreform zum Opfer gefallen ist. Das Ehepaar will zunächst hier in ihrem Hause wohnen. Möglicherweise ist Herr v. V. ein geeigneter Bürgermeister.