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Seite:HansBrassTagebuch 1945-11-23 001.jpg

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nachher, daß der stellvertr. Landrat kurz u. sehr gut über die Flüchtlingsfrage gesprochen hat. Auf dem Wege dorthin hat er gesagt, daß er früher in Ahr. gewesen sei u. mich und Martha u. die BuStu. kenne, er könne verstehen, daß ich gern zurücktreten wolle. Er stimmte Martha zu, als sie ihm sagte, daß sie das Geschäft wieder öffnen wolle. Beim Abschied versicherte er mir, in der nächsten Woche noch einmal wieder kommen zu wollen. –

     Abends war Deutschmann da. Er bestätigte den guten Eindruck, den der stellvertr. Landrat überall gemacht hat. Die Zustände aber, in die er mir Einblick gegeben hat, sind einfach furchtbar. Es kann daraus nichts werden. –

Freitag, 23 November 1945.     

     Am Nachmittag kam Margot Seeberg u. berichtete von einer Besprechung des Flüchtlings-Ausschusses im Gemeindeamt u. der Antifa. Es ist heute die Nachricht gekommen, daß die angekündigten Flüchtlinge, – 150 Personen –, morgen hier eintreffen sollen. Herr von Achenbach hat die Sache groß in die Hand genommen. Sie sollen im Kinderheim, im Kurhaus u. im Seezeichen untergebracht werden auf Stroh. Es sollen Leute aus Oberschlesien sein, also wahrscheinlich viele Katholiken, sehr verwahrlost u. ohne jeden Besitz. Verpflegung haben wir vorläufig nicht, es soll an Kleidung fehlen, die hier gesammelt werden soll. Frau Seeberg hatte den sehr anständigen Instinkt, nach dieser Sitzung sofort zu mir zu kommen u. mir zu berichten, denn ich wußte in der Tat nichts von all dem. Später kam Frau Burgartz ebenfalls in derselben Absicht. Ich bin froh, nichts mehr damit zu tun zu haben u. keine Verantwortung zu tragen.

Sonntag, 25. November 1945.     

     Die Flüchtlinge sind bis jetzt noch nicht eingetroffen. Heute hatten wir wieder einmal eine schöne Andacht, ich war zum ersten Male seit meiner Erkrankung frisch u. konnte gut sprechen. – Nach der Andacht blieb noch Carmen Grantz bei uns u. hatte allerhand Fragen über die Messe. Sie hat erstaunlich viel Verständnis u. ist auf dem besten Wege. Dabei stellte sich ganz nebenher heraus, daß sie an dem Tage, als der Pater Drost hier Messe las, die hl. Kommunion. empfangen hat. Sie hat nicht gewußt, daß das nicht ging, es hatte sich von selbst gemacht. Der Pater ging nämlich selbst, bei mir anfangend, die erste Reihe entlang u. verteilte die Kommunion u. wer nun in der ersten Reihe kniete, empfing sie eben, wenn der Knieende sie nahm. Und so war es bei Carmen. Alles, was geschieht, geschieht mit Gottes Willen oder Zulassung, – so auch dieses. –

     Vom Bürgermeister Herwagen aus Wustrow bekam ich gestern einen Brief. Ich hatte ihm geschrieben als Antwort auf einen ersten Brief in Sachen Fischland-Krankenhaus, in welchem er m. E. seine Amtsbefugnisse überschritt. In der Abwehr war ich vielleicht zu scharf geworden u ich hatte mir deshalb schon ein schlechtes Gewissen gemacht. Nun wies er dies zurück, sehr energisch, aber doch in sehr netter Form. Ich habe mich ihm sofort geantwortet u. mich entschuldigt.

     Heute nachmittag ist wieder evangel. Gottesdienst. Triebsch will uns um 3 Uhr dazu abholen.

     Abends: Herr u. Frau Triebsch waren da u. er erzählte, wie seine Sache gegen Dr. Ziel ihren Fortgang genommen hat. Da Ziel selbst noch nicht von Chemnitz zurück ist u. da Frau Ziel sich anderwärts darüber geäußert hatte, daß sie neuerdings von dem Ehepaar Triebsch sehr kühl begrüßt würde u. daß das wahrscheinlich mit der von Dr. Z. vorgenommenen Lebensmittelkarten-Verteilung

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Hans Brass: TBHB 1945-11-21. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-11-23_001.jpg&oldid=- (Version vom 26.8.2024)