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Seite:HansBrassTagebuch 1945-12-23 001.jpg

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Während der englische Rundfunk (Hamburg) den Streit in u. mit der CDU. mit Stillschweigen übergeht, ergreift der Berliner Rundfunk die Gelegenheit, die Sache weiter aufzurühren, indem er nun nicht mehr Hermes u. Dr. Schreiber angreift, die nun ja nicht mehr anzugreifen sind, sondern seine Angriffe auf die „Neue Zeit“ das Organ der CDU. ausdehnt u. einen Artikel von Gertrud Bäumer, der in dieser Zeitung erschienen ist, in polemischer Form kritisiert. Die verborgene Tendenz ist natürlich, möglichst viele Leute zu bewegen, trotz des Vorstandswechsels aus dieser Partei auszutreten, was sicher gelingen wird, wenn solche Stichelei weiter gehen sollte. Otto Wendt z.B. schrieb vor einigen Tagen, daß er in Hamburg Vorstand einer Ortsgruppe der CDU. sei. Er hat mit Christentum nicht sehr viel zu tun, er wird dieser Partei beigetreten sein, weil sie eben den äußersten rechten Flügel der vier zugelassenen Parteien bildet. Und so wird es bei sehr vielen sein. Wenn es aber so ist, dann sollte man das Wort „Christlich“ daraus entfernen, denn es dient dann nur zur Tarnung politischer Absichten u. kann das Christentum nur diskreditieren, wie das bei dem gegenwärtigen Streit ja bereits ausgibig der Fall ist. –

     Die Erzählung der Weihnachtsgeschichte verlief im Kindergarten sehr fröhlich u. nett, jedoch war die Mehrzahl der Kinder doch wohl gar zu klein. Auch bei den größeren fehlten gar zu sehr die Vorkenntnisse, alle diese Kinder sind erschreckend unwissend. Aber dennoch war es nicht zwecklos, es ist auch den Kleinsten wenigstens ein Bewußtsein wach geworden, daß das Weihnachtsfest eine heilige Bedeutung hat u. sie haben doch wenigstens die Worte: „Gott – Jesus Christus – Engel – Maria u. Joseph“ gehört. Die größeren mögen wohl etwas mehr darüber nachdenken.

     An Fritz geschrieben. –

Sonntag, 23. Dezember 1945.     
4. Advent.     

     Die Andacht ließen wir heute ausfallen mit Rücksicht darauf, daß heute der evang. Pastor Pleß aus Prerow hier predigen wird u. P. Drost am 2. u. 3. Festtag hier ist u. zuletzt, weil Martha noch viel mit ihrer BuStu. zu tun hat. Ich stellte die kleine Krippe auf unter einem ganz kleinen Weihnachtsbäumchen, den ich mit einigen Kugeln u. Lametta schmückte. Der kleine Baum, der etwa nur 75 cm. hoch ist, sieht sehr niedlich aus, die Krippe darunter steht gut im Raum. – Während ich diese Arbeit tat, brachte der Hamburger Rundfunk eine deutsche Singmesse aus Lübeck sehr unliturgisch u. mit einer sehr schlechten Predigt, aber doch eben eine hl. Messe. Carmen Grantz saß dabei u. hörte zu. Dabei fällt mir jetzt ein, daß ich ganz vergessen habe, ihr zum Tode ihres Schwiegervaters etwas zu sagen, – es hätte aber höchstens ein Glückwunsch sein können.

     Abends: Die Predigt von Pfr. Pleß war wieder überaus schön, nur war die Beteiligung gering, weil heute Lebensmittel-Zuteilungen für Weihnachten in den Geschäften ausgegeben wurden. Das ist eine unüberwindliche Konkurrenz.

     Als wir nachhause kamen, wartete das Ehepaar Dr. Umnus aus Wustrow auf uns u. Frau Rewoldt aus Niehagen. Sie brachten überaus erfreuliche Zuschüsse zu unserem Speisezettel. Man sieht, daß es aus geht, ohne sich im Laden anzustellen. Das Ehepaar Umnus ging sofort wieder, um noch vor Dunkelheit zuhause zu sein, während Frau Rewoldt wie immer kein Ende fand mit Schwatzen. Die Alte ist nun 72 Jahre alt, aber das Mundverk geht noch wie vor dreißig Jahren.

     Vormittags an Else geschrieben, von der ich in den letzten Tagen einen ausführlichen Brief hatte.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-12-22. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-12-23_001.jpg&oldid=- (Version vom 31.8.2024)